Die Gegner des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi haben die Nato wegen ihrer Strategie scharf attackiert. "Leider hat uns die Nato bisher enttäuscht", sagte der Militärführer der Rebellen, General Abdulfattah Junis, in der ostlibyschen Metropole Bengasi. Sie bombardiere oftmals zu spät und gehe nicht entschieden genug vor.
Im Brüsseler Hauptquartier der Allianz stießen die Vorwürfe auf Unverständnis. Die Truppen Gaddafis drängten indes die Aufständischen am Mittwoch vollständig aus dem Öl-Hafen Al-Brega zurück.
Gleichwohl begannen die Aufständischen offenbar mit dem Öl-Export. Der erste Öl-Tanker aus dem von den Rebellen kontrollierten Gebiet in Ost-Libyen habe am Mittwoch den Hafen der Stadt Tobruk verlassen, meldete der Nachrichtensender Al-Arabija.
Von einem Kontakt der Rebellen zur Nato bis zum Luftangriff dauere es bis zu acht Stunden, kritisierte Junis auf einer Pressekonferenz am Dienstagabend. "Wird dann der betreffende Gaddafi-Trupp auf seinem Vormarsch warten, bis er aus der Luft bombardiert wird? Natürlich nicht!", ereiferte sich Junis. "Bedauerlicherweise lässt uns die Nato hängen."
Ein Mitarbeiter des Bündnisses, der namentlich nicht genannt werden wollte, widersprach. "Die Intensität der Nato-Operationen lässt nicht nach." Seit Übernahme des Kommandos über die Luftoperationen zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen am Donnerstag vor einer Woche hätten Nato-Kampfjets in Libyen 400 Kampfeinsätze geflogen, teilte das Bündnis mit. Am Dienstag seien vor der Küste neun Schiffe gestoppt worden, um Waffenlieferungen zu verhindern.
Einsatzkräfte stoßen immer wieder auf Probleme in Misurata
Bereits zuvor hatte die Nato-Führung darauf hingewiesen, dass gezielte Luftangriffe, etwa bei der von Gaddafi-Truppen belagerten Stadt Misurata, Piloten und Einsatzplaner vor größte Probleme stellten. Gaddafi missbrauche die Zivilbevölkerung als "Schutzschild", um schwere Waffen wie Panzer und Schützenpanzer vor Angriffen zu schützen.
In Misurata, 210 Kilometer östlich von Bengasi, lebt die Bevölkerung seit Wochen ohne Strom und Wasser unter Beschuss der Gaddafi-Artillerie. Die Truppen des Regimes verschonen dort laut Berichten mit ihren Angriffen selbst die Krankenhäuser nicht. "Wenn die Nato noch eine Woche wartet, ist Misurata erledigt", sagte der Rebellen-Militär.
Militärführer Junis teilte mit, dass die Aufständischen inzwischen "leichte Waffen" von nicht näher genannten "befreundeten Staaten" erhalten haben. Russland warnte die Nato vor einer direkten Militärhilfe an die Rebellen. "Das wäre ein Bruch der UN-Resolution", sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.
Rebellen gegen Landung von türkischem Hilfsschiff - Gaddafi sucht Kontakt zu USA
Im Hafen der Rebellenhochburg Bengasi verhinderte eine Menschenmenge die Landung eines türkischen Schiffes mit Hilfsgütern. Die Gaddafi-Gegner waren darüber empört, dass sich der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in der Vorwoche ausdrücklich gegen Waffenlieferungen an die Rebellen ausgesprochen hatte.
Nach heftigem Artilleriebeschuss der Gaddafi-Streitkräfte mussten sich Verbände der Regimegegner in der Nacht zum Mittwoch vollständig aus dem Öl-Hafen Al-Brega zurückziehen. Später kreisten über dem Kampfgebiet Nato-Flugzeuge, die aber nicht eingriffen, berichtete ein dpa-Korrespondent aus Adschdabija.
Unterdessen suchte Machthaber Gaddafi erstmals seit Beginn der Luftangriffe offiziell Kontakt zu US-Präsident Barack Obama. Er habe eine Botschaft an Obama geschickt, meldete die staatliche libysche Nachrichtenagentur Jana ohne Angaben zum Inhalt dieses Briefes. Die Aufständischen werfen der algerischen Regierung vor, sie habe Gaddafi bei der Rekrutierung von Söldnern geholfen. Algerien habe im Februar Söldner verschiedener Nationalitäten nach Libyen geflogen.
dpa/pm/sr - Bild: Manu Brabo (epa)