Im zerstörten Kernkraftwerk Fukushima haben Arbeiter einen ersten Erfolg erzielt: Nach mehreren gescheiterten Versuchen, gelang es ihnen schließlich am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit), ein Leck abzudichten. Durch einen Riss in der Betonwand eines Kabelschachtes war stark verstrahltes Wasser in das Meer ausgeströmt.
Flüssigglas
Nach dem vergeblichen Einsatz von Zement und chemischen Bindemitteln half schließlich ein Abdichtmittel auf Basis von Flüssigglas, wie japanische Medien berichteten. Rund 6000 Liter davon hatten 52 Arbeiter in einer Marathonnacht an acht Stellen im Bereich des betreffenden Schachts gegossen. Am frühen Morgen konnten die Arbeiter dann endlich bestätigen, dass der Abfluss des verseuchten Wassers gestoppt ist.
Erhöhte Strahlung im Meer
Die Strahlung im Meer ist inzwischen stark erhöht. Bei einer Untersuchung des Meerwassers nahe der Anlage war am vergangenen Samstag eine Konzentration von Jod-131 gemessen worden, die um das 7,5 Millionenfache über dem gesetzlichen Grenzwert lag. Das stark verseuchte Wasser hatte sich im Fundament des Turbinengebäudes von Reaktor 2 sowie in angeschlossenen Untergrundschächten angesammelt. Das Wasser stammt nach Einschätzung der Betreibergesellschaft Tepco aus dem Reaktor 2, wo bei Brennstäben eine vorübergehende Kernschmelze eingesetzt hatte. Um Platz für das hochgradig verseuchte Wasser auch aus anderen Bereichen zu machen, ist Tepco dabei, 11 500 Tonen schwach verstrahlten Wassers ins Meer abzuleiten. Dies dürfte bis zum Mittwochabend abgeschlossen sein.
Tankfloß und Barrieren im Meer
Helfen soll auch ein Tankfloß, das bis zu 10 Millionen Liter an radioaktiv verseuchtem Wasser aufnehmen können soll. Es wird in einer Werft in der Tokioter Nachbarstadt Yokohama umgebaut und soll nach dem 16. April an der Atomruine zum Einsatz kommen. Um die Gefahr neuer Lecks einzudämmen, erwägt der Betreiber, die Abwasserzugänge mit Stahlplatten zu versperren. Eine weitere Maßnahme ist das Spannen von Barrieren im Meer, wie sie sonst für Öllecks benutzt werden. Die japanische Regierung legte neue Grenzwerte für die Strahlenbelastung bei Fischen und Meeresfrüchten fest und kündigte schärfere Kontrollen an. Zuvor waren im Meer vor der Präfektur Ibaraki Fische gefunden worden, die stärker belastet waren.
Entschädigung für Opfer
Tepco erwägt nun einen Entschädigungsfonds für die Opfer der Reaktorkatastrophe. Wie die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press am Mittwoch meldete, würden sich sowohl der Betreiber als auch der Staat daran beteiligen. Wie hoch die Entschädigung für die Opfer am Ende ausfällt, wird noch geprüft. Es sind nicht nur die Bewohner betroffen, auch Landwirte, Fischer und Produktionsfirmen haben enorme Schäden durch die weiter andauernde Katastrophe erlitten. Tepco wird nach Einschätzung von Analysten kaum in der Lage sein, alle Kosten allein zu tragen. Ministerpräsident Naoto Kan hatte denn auch zuvor versichert, dass die Regierung letztendlich die Verantwortung trägt.
Die japanische Zentralbank erwägt die Bereitstellung von niedrigverzinsten Krediten für Banken in den Katastrophengebieten. Wie die gewöhnlich gut informierte japanische Wirtschaftszeitung «Nikkei» am Mittwoch meldete, steht dieses Thema auf der Tagesordnung der zweitägigen Zentralbanksitzung, die an diesem Donnerstag endet. Die Währungshüter wollen sich demnach mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des verheerenden Erdbebens und Tsunamis vom 11. März sowie der Atomkrise befassen. Die Katastrophe hat Produktionsbetriebe lahmgelegt, Lieferketten unterbrochen und den Konsum gedämpft. Die OECD rechnet nach einer ersten Schätzung mit einem gemessen an der Finanzkrise nach dem Lehman Brothers-Kollaps 2008 nur leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung im ersten sowie zweiten Quartal.
Etwas Normalität
In der japanischen Katastrophenregion können unterdessen Kinder endlich wieder zur Schule gehen. In der Stadt Fukushima in der gleichnamigen Provinz, wo auch das havarierte Kernkraftwerk steht, wurden am Mittwoch mehrere Kinder aus der Evakuierungszone in für sie neue Grundschulen eingeschult, meldeten lokale Medien. Sie lebten ursprünglich innerhalb der jetzigen 20-Kilometer-Sperrzone nahe der Atomruine Fukushima Eins. Seit Beginn der Katastrophe hausen sie in Flüchtlingslagern. Wegen der plötzlich gestiegenen Zahl an Kindern an den erhalten gebliebenen Schulen wurden nun mehr Lehrer eingestellt.
Nach neusten Angaben starben bei der Katastrophe 12 468 Menschen. Allerdings werden noch immer 15 091 Menschen vermisst, hieß es.
wdr/okr/est - Bild: Franck Robichon (epa)