Der libysche Ölhafen Al-Brega war am Dienstag weiter zwischen Truppen des Machthabers Muammar al-Gaddafi und Aufständischen heftig umkämpft. Nato-Flugzeuge hatten in der Nacht zuvor mit einem Luftschlag zwei Militärfahrzeuge der Gaddafi-Verbände zerstört, berichtete ein Reporter der BBC aus dem Kampfgebiet.
Die Rebellen freuten sich aber nicht lange über den dadurch ermöglichten Bodengewinn: Schweres Artilleriefeuer der Gaddafi-treuen Truppen zwang sie wieder zum Rückzug.
Dutzende von Rebellen seien geradezu in Panik aus Al-Brega geflohen, sie hätten dem Granatbeschuss nichts entgegensetzen können, berichteten Augenzeugen. Auch die von Gaddafi-Truppen belagerte Enklave um Misurata, 210 Kilometer östlich von Tripolis, war am Dienstag Schauplatz blutiger Zusammenstöße.
Die oppositionelle Webseite "Al-Wefaq" berichtete, dass in Misurata fünf Menschen getötet und 24 weitere verletzt wurden. Die Lage für die Zivilbevölkerung in der von der Wasser- und Stromversorgung abgeschnittenen Stadt ist weiter dramatisch, beklagten Bewohner in Audiobotschaften. Die Oppositionswebseite "Libya al-Youm" meldete zudem Kämpfe zwischen Aufständischen und Gaddafi-Anhängern in der Oase Kufra. Eine dort stationierte Einheit der Armee hatte sich vor einigen Tagen den Rebellen angeschlossen.
Das Regime in Tripolis bot der Opposition Gespräche über "politische Reformen" an, hält aber an der Herrschaft des Gaddafi-Clans fest. Das libysche Volk müsse selbst entscheiden, ob Machthaber Muammar al-Gaddafi als Führer bleiben solle oder nicht, erklärte der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim am frühen Dienstagmorgen vor Journalisten in Tripolis.
In diese Richtung weist auch ein Bericht des US-Senders CNN, demzufolge die jüngste diplomatische Offensive der Führung in Tripolis für die Idee werben sollte, dass Gaddafis Sohn Seif al-Islam die Macht von seinem Vater übernimmt. Der Sender bezog sich auf eine nicht näher genannte Quelle aus dem Umkreis Gaddafis. Der libysche Vizeaußenminister Abdul Latif al-Obeidi hatte am Vortag in Athen, Ankara und Valletta die Vorstellungen des Regimes übermittelt.
Rebellen geben Gaddafi-Familie nach Konfliktende keine Chance mehr
Die Übergangsregierung der Aufständischen hatte allerdings in den vergangenen Wochen immer wieder betont, dass die Gaddafi-Familie nach Ende des Konfliktes nie wieder eine Rolle im Land spielen sollte. Dies ist auch die Position der westlichen und der meisten arabischen Staaten. Gaddafi und seine Söhne müssten die Macht abgeben und Libyen verlassen, hatte auch der italienische Außenminister Franco Frattini am Montag bekräftigt.
Der bedrängte Alleinherrscher ließ sich derweil daheim feiern. Das libysche Staatsfernsehen zeigte in der Nacht zum Dienstag Bilder, auf denen eine Staatslimousine bei Gaddafis Stützpunkt Bab-al-Asisija durch eine Menge jubelnder Bürger fuhr. Der Diktator war allerdings in dem Wagen nicht zu erkennen. Auch war nicht klar, wann die Aufnahmen gedreht wurden. Gaddafis Sohn Seif al-Islam erklärte in einem BBC-Interview, die Abwendung des Außenministers Mussa Kussa vom Regime sei keinesfalls als Zeichen bröckelnder Unterstützung für seinen Vater zu bewerten. Kussa sei ein "alter und kranker Mann", der medizinische Behandlung in Großbritannien benötige und sich im Austausch dafür auf eine "Kooperation" mit den britischen Behörden eingelassen habe.
Junge libysche Juristin wieder auf freiem Fuß
Die junge Libyerin Eman al-Obaidi ist wieder auf freiem Fuß. Sie hatte vor zehn Tagen für Aufsehen gesorgt, als sie in das abgeschirmte Journalistenhotel in Tripolis eingedrungen war und über ihre Vergewaltigung durch Gaddafi-Soldaten berichtet hatte. Sie fühle sich aber weiter vom Regime bedroht und als "Geisel", sagte sie dem US-Sender CNN am Telefon. "Ich rufe alle Menschenrechtsorganisationen auf, die Wahrheit publik zu machen und mir ein Verlassen (des von Gaddafi kontrollierten Landesteils) zu ermöglichen."
Die Juristin Al-Obaidi stammt aus der östlichen Stadt Tobruk, die von den Regimegegnern kontrolliert wird. Dort leben auch ihre Eltern. Diese hatten in mehreren Interviews erklärt, sie seien stolz auf ihre Tochter, weil sie das Verbrechen, das ihr angetan wurde, öffentlich angeprangert hat.
dpa/sr - Bild: Vassil Donev (epa)