Was kommt nach Muammar al-Gaddafi? Eineinhalb Wochen nach Beginn der alliierten Angriffe sucht die internationale Gemeinschaft nach Szenarien für die Zukunft Libyens nach dem möglichen Rückzug des Machthabers.
Vertreter aus mehr als 40 Nationen beraten in London über politische Perspektiven für das nordafrikanischen Krisenland und humanitäre Probleme, etwa die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und Lebensmitteln.
Für die Nach-Gaddafi-Ära liegen mehrere Modelle auf dem Tisch. Alle sehen einen baldigen Waffenstillstand vor. Unterschiedliche Auffassungen herrschen darüber, wie mit dem Machthaber selbst umgegangen werden soll. Während etwa Italien eine Exillösung befürwortet, wollen die USA, Großbritannien und Frankreich, dass Gaddafi vor dem Internationalen Strafgerichtshof der Prozess wegen Kriegsverbrechen gemacht wird.
Rebellenvertreter nehmen an dem Treffen nicht teil. Vor Beginn suchten jedoch mehrere westliche Politiker das Gespräch mit dem nach London gereisten Entsandten des libyschen Übergangsrates, Mahmud Dschibril. Der Rat, eine Art provisorische Regierung mit Sitz im ostlibyschen Bengasi, legte erstmals ein politisches Programm für die Zukunft Libyens vor. Darin wurde der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates als oberstes Ziel genannt. Das Gremium stellte die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung und freie Wahlen in Aussicht.
Offensive der Rebellen gerät ins Stocken
In Libyen gewinnen die Truppen von Machthaber Gaddafi unterdessen weiter an Boden. Sie konnten den Vormarsch der Rebellen stoppen. Sowohl vor der strategisch wichtigen Stadt Sirte als auch in Misurata erlitten die Aufständischen Rückschläge. Nach Angaben der Presseagentur AFP haben Gaddafi-Truppen Teile der Stadt Misurata wieder eingenommen.
Am Vortag hatten Gaddafi-Verbände einen Vorstoß der militärisch unterlegenen und unzureichend organisierten Rebellen auf Gaddafis Geburtsstadt Sirte aufgehalten. Libyen forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Luftangriffe einzustellen.
USA: Waffenlieferungen möglich
Die USA schließen nicht mehr aus, die Rebellen in Libyen direkt zu unterstützen, um Gaddafi zu entmachten. Das sagte die amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, dem Sender ABC. Waffenlieferungen würden nicht ausgeschlossen. US-Präsident Barack Obama hatte den Militäreinsatz in Libyen am Montagabend vehement gegen anhaltende Kritik im eigenen Land verteidigt. In einer Rede an die Nation sagte er in Washington, dass die USA eingegriffen hätten, um ein Massaker an Tausenden von Zivilisten zu verhindern.
"Wir haben ein mögliches Massaker verhindert", sagte auch die US-Außenministerin Hillary Clinton in London. Sie bekräftigte die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft, Gaddafi zum Rückzug zu zwingen. "Er muss gehen", sagte sie in London. "Wir werden weitermachen, bis Oberst Gaddafi sich voll den Regelungen der UN-Resolution 1973 unterordnet."
Russland sieht in der Militäraktion einen Verstoß gegen die UN-Resolution und forderte Aufklärung im Weltsicherheitsrat. Bei der Resolution gehe es vor allem um den Schutz der Zivilbevölkerung, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Tatsächlich gebe es aber immer mehr Berichte über zivile Opfer. Die USA, Frankreich und Großbritannien sollten daher Rechenschaft ablegen, welches ihre Ziele in dem nordafrikanischen Land seien. Lawrow reiste mit der Begründung, dass Russland an dem Konflikt nicht aktiv beteiligt sei, nicht nach London.
vrt/dpa/okr - Bild: Filip Claus (belga)