Die radioaktive Verseuchung um das japanische Katastrophen-Atomkraftwerk Fukushima hat teils extreme Werte erreicht. Das Meer nahe der maroden Meiler ist immer stärker belastet.
Über die Strahlenwerte in dem zerstörten Kraftwerk gab es am Wochenende alarmierende und widersprüchliche Angaben.
Am Sonntag erschreckte der Betreiber Tepco zunächst mit der Veröffentlichung eines zehnmillionenfach überhöhten Strahlungswertes. Später stellte das Unternehmen die eigenen Angaben teilweise infrage, sorgte aber nicht für Aufklärung. In Japans Bevölkerung stieg die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Regierung.
Arbeiter evakuiert - Verwirrung um Werte
Im Wasser des Turbinenhauses von Reaktor 2 war die Radioaktivität etwa zehn Millionen Mal höher als normalerweise, erklärte Tepco zunächst. Möglicher Grund dafür sei ein undichter Reaktorkern. Arbeiter, die seit mehr als zwei Wochen verzweifelt versuchen, diesen und die anderen Krisenmeiler zu kühlen und Messungen durchführten, mussten daraufhin erneut das Feld räumen.
Später stellte Tepco seine eigenen Angaben zur Ursache und Stärke der Radioaktivität in Block 2 infrage. Womöglich seien andere radioaktive Substanzen als das bisher gemeldete Jod-134 im Wasser des Turbinenhauses enthalten. Zudem habe es bei der Berechnung der Zahlenwerte womöglich Fehler gegeben. Mit neuen Zahlen wartete das Unternehmen jedoch nicht auf.
Auch die Reaktorsicherheitsagentur NISA hatte von einer hohen Konzentration des Isotops Jod-134 im Wasser von Reaktor 2 berichtet. Auch dies könne auf einen Schaden am Reaktorkern hinweisen, hieß es. Die Regierung forderte Tepco am Sonntag auf, herauszufinden, woher das radioaktiv verseuchte Wasser komme. Die Agentur Jiji berichtete von einer Strahlenbelastung von 1000 Millisievert pro Stunde im Wasser von Block 2. Das würde bedeuten, dass ein Arbeiter den bereits angehobenen Grenzwert von 100 auf 250 Millisievert binnen 15 Minuten abbekommen hätte.
Das Wasser in den Turbinenhäusern macht die Arbeit lebensgefährlich. Es sollte dennoch abgepumpt werden, um an der dringend nötigen Verkabelung der Kühlsysteme arbeiten zu können. Wasser steht bis zu einem Meter hoch in den Turbinenhäusern aller vier Reaktorblöcke von Fukushima Eins. Es ist jedoch unterschiedlich stark belastet.
Meerwasser zunehmend radioaktiv
Das Meer vor Fukushima wird unterdessen zunehmend radioaktiv mit dem Isotop Jod-131 verseucht. Am Sonntag übertraf die Strahlung den zulässigen Grenzwert bereits um das 1850-fache. Am Samstag war es noch das 1250-fache. Tepco räumte ein, dass wahrscheinlich radioaktives Wasser aus dem Atomwrack ins Meer geflossen sei. Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die Konzentration der radioaktiven Substanzen im Meer schnell verdünnt, so dass derzeit keine größere Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe.
Mit der seit vielen Tagen erhofften Wiederherstellung der Stromzufuhr sollen auch die mächtigeren Maschinen des regulären Kühlsystems wieder laufen. Ein Teil der Technik benötige aber Gleichstrom, an dem noch gearbeitet werde. Am Sonntag sollte testweise auch Klimaanlage im Reaktorblock 1 eingeschaltet werden.
Der Betreiber konzentrierte sich am Wochenende darauf, mehr und mehr Süßwasser in die havarierten Reaktoren von Fukushima Eins zu pumpen. Im Laufe des Sonntags sollten dafür noch stärkere Pumpen eingesetzt werden, kündigte die Reaktorsicherheitsbehörde NISA an. Süßwasser hinterlässt beim Verdampfen kein Salz, das den Fluss des Kühlwassers behindern könnte. Unter anderem sei die US-Marine mit einer großen Wasserladung nach Fukushima unterwegs.
Ins Abklingbecken des vierten Reaktors, in dem abgebrannte Brennelemente gekühlt werden müssen, wurde am Sonntag aber weiterhin Salzwasser geleitet, kündigte der NISA-Sprecher an. Die Kapazitäten seien begrenzt - so stand bisher für Reaktor 1 nur eine Pumpe zur Verfügung.
Verstrahlte Arbeiter werden untersucht
Seit Beginn der Krise wurden insgesamt 17 Arbeiter verstrahlt. Tepco räumte ein, dass drei verstrahlte Arbeiter nicht vor dem radioaktiven Wasser im Turbinen-Gebäude gewarnt worden waren. Die drei Arbeiter sollten noch in einem Institut für Strahlenforschung untersucht und dann am Montag entlassen werden. Es gebe keine gesundheitlichen Probleme, berichtete die Nachrichtenagentur Jiji unter Berufung auf die Ärzte. Bei den zwei Arbeitern, die Verbrennungen an den Füßen erlitten hatten, sei die Belastung gering.
Inzwischen ist die Mehrheit der Japaner mit dem Umgang der Regierung mit der Atomkrise unzufrieden. Wie eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo ergab, missbilligen 58,2 Prozent der Bürger das Krisenmanagement der Regierung. Viele Bürger kritisieren, nicht ausreichend über die radioaktive Verseuchung und die Gefahren informiert zu sein.
Die Gefahr ist auch nach Einschätzung des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, noch lange nicht gebannt. Es sei immer noch unklar, ob die Reaktorkerne und die abgearbeiteten Brennstäbe mit Wasser bedeckt seien und ausreichend gekühlt werden könnten, sagte Amano der New York Times. Wenigstens tragen die Westwinde über Japan einen Großteil der radioaktiven Partikel von den Unglücksreaktoren in Fukushima auf das Meer hinaus.
Folgen für die Wirtschaft
Unterdessen mehren sich die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wie die New York Times berichtet, haben mehrere große Reedereien den Frachtverkehr nach Tokio und Yokohama gestoppt oder eingeschränkt. Dagegen würden die von Fukushima weiter entfernten Häfen wie Osaka und Kobe weiterhin angelaufen.
Japanische Autohersteller überlegen, ihre Produktion abwechselnd herunterzufahren, um Strom zu sparen. Damit wollen die Konzerne verhindern, dass ihre Stromversorgung wegen Engpässen rationiert wird.
Das Erdbeben und der Tsunami am 11. März hatte den Nordosten Japans teilweise verwüstet. 10.804 Menschen starben, 16.244 werden noch vermisst. Die Lage der Erdbebenopfer ist noch immer dramatisch. Am Wochenende behinderten auch Schnee und eisige Temperaturen die Bergungsarbeiten. In vielen Unterkünften gibt es kein Heizmaterial.
dpa/sr - Bild: Christian Aslund (epa)