In Frankreich tun sich viele Puristen immer noch schwer mit alkoholfreiem Wein, Sekt oder Champagner. Für etliche Top-Sommeliers kommt so was nicht ins Glas. Und auch in den Keltereien, die oft Familienbetriebe sind, muss sich oft die junge Generation gegen die ältere durchsetzen, um es überhaupt mit einem alkoholfreien Wein zu probieren. Für die ist das oft so etwas wie "Verrat" am Produkt.
Im Vergleich zum alkoholfreien Bier ist es viel schwieriger, den Geschmack des Weins zu erhalten, wenn man ihm den Alkohol entzieht. Im Wein steckt auch mehr Alkohol als im Bier. Ein kritischer Sommelier sagte in der Zeitung De Standaard: Es klinge verrückt, erst etwas mit Alkohol herzustellen, um ihn dann wieder herauszuziehen. Alkoholfreier Wein sei ein Widerspruch in sich.
Trotzdem scheinen einige Winzer es zu schaffen, auch wenn sie mitunter recht lange daran tüfteln. Das Top-Weingut Château Clos de Boüard aus Frankreich erklärte dazu in De Standaard, dass es zweieinhalb Jahre gedauert habe, überhaupt einen vorzeigbaren alkoholfreien Wein herzustellen - also einen, bei dem der Geschmack erhalten blieb.
Einige Weinproduzenten dämpfen die Erwartungen. Man dürfe nicht zu viel von einem alkoholfreien Wein erwarten. Das sei im Grunde ein neues Produkt und keine Kopie eines Weins mit Alkohol. Der Gast solle sich entscheiden, was er zum Essen trinken will: Wasser, Wein, alkoholfreien Wein oder Limo. Anders ausgedrückt: Ein Veggie-Burger schmeckt auch nicht wie ein Fleischburger.
Geschmacklich bemängeln Kritiker, dass alkoholfreier Wein oft zu süß sei. Wein ist vergorener Traubensaft. Wenn man ihm den Alkohol entzieht, entzieht man ihm einen natürlichen und wesentlichen Bestandteil, wodurch der Geschmack aus dem Gleichgewicht gerät. Das wissen die Winzer. Deshalb fügen sie alles Mögliche hinzu, um ein gewisses Gleichgewicht der Aromen zu erreichen. Am Ende ist der Wein dann oft einfach zu süß.
Für alkoholfreien Wein gibt es jedoch einen ganz ansehnlichen Markt. Das haben die großen Supermärkte erkannt. Große Ketten haben in der Regel alkoholfreien Wein im Angebot. Die Nachfrage steige stark, sagt beispielsweise Delhaize, vor allem bei alkoholfreiem Sekt. Das liege unter anderem daran, dass sich dessen Geschmack in den letzten Jahren deutlich verbessert habe. Käufer sind dann beispielsweise Menschen, die sonst aus gesundheitlichen Gründen keinen Alkohol trinken dürfen, Schwangere oder Kranke. Außerdem tun sich ganz neue Märkte auf. Etwa im islamischen Raum, wo Alkohol verboten ist. Manche Kelterei in Frankreich hat mit dem alkoholfreien Wein sogar erst angefangen, weil aus dem arabischen Raum die Nachfrage danach kam.
standaard/okr