In dem beschädigten japanischen Atomkraftwerk in Fukushima hat sich am Samstag eine Explosion ereignet. Es habe Explosionsgeräusche gegeben, danach sei weißer Rauch aufgestiegen, berichtete der TV-Sender NHK.
Fernsehbilder deuten darauf hin, dass Teile der Gebäudehülle von Fukushima 1 weggebrochen sind. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo wurden vier Menschen verletzt. Unmittelbar vor der Explosion habe es eine Erschütterung gegeben.
Nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami hatte sich die Lage in dem Meiler durch den Ausfall des Kühlsystems dramatisch zugespitzt. In der Nähe des Atomkraftwerks sei radioaktives Cäsium festgestellt worden, berichtete Kyodo am Samstag unter Berufung auf die Atomsicherheitskommission.
Kernschmelze möglich
Es sei möglich, dass in dem Reaktor eine Kernschmelze ablaufe. Nach Angaben von Greenpeace könnte das Cäsium aber auch beim Ablassen von Druck entwichen sein.
Nach dem Beben am Freitag war das Kühlsystem des Reaktors ausgefallen. Der Betreiber des AKW habe daran gearbeitet, den Druck aus dem Reaktorgehäuse abzulassen, um eine Kernschmelze zu verhindern, so Kyodo. Trotz dieser Maßnahme seien ungewöhnlich hohe Radioaktivitätswerte um das AKW nachgewiesen worden.
«Cäsium kann auch dann festgestellt werden, wenn aus den Kernkraftwerken der Druck abgelassen wird», sagte am Samstag Greenpeace-Atomexperte Christoph von Lieven der Nachrichtenagentur dpa. Auf diese Weise könnten radioaktive Partikel in die Umgebung gelangen. Der Cäsium-Fund müsse also noch nicht bedeuten, dass die Kernschmelze bereits begonnen habe.
In der im Nordosten gelegenen Region um die Atomkraftwerke Fukushima 1 und 2 war der atomare Notstand ausgerufen worden, nachdem die Kühlsysteme ausgefallen waren. Die Regierung in Tokio kam zu einer Krisensitzung zusammen und ordnete in weitem Umkreis der Atomkraftwerke Evakuierungen an, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. Zehntausende von Rettungskräften, darunter auch Soldaten, sind in den Katastrophengebieten unermüdlich im Einsatz.
Ausmaß der Schäden
Am Morgen nach dem Beben der Stärke 8,9 und dem verheerenden Tsunami, der bis weit ins Land hinein Schiffe, Häuser, Autos und Menschen mitgerissen hatte, wurde das Ausmaß der Schäden sichtbar. Tausende Häuser waren zerstört, Raffinerien brannten.
Bislang konnten laut Polizei mehr als 430 Leichen geborgen werden, 784 Menschen gelten als vermisst. In Krankenhäusern wurden Hunderte Verletzte behandelt. Etwa 210.000 Menschen verloren ihr Zuhause.
Unterdessen drohten in weiten Gebieten Japans weitere Stromausfälle. Die Betreibergesellschaft Tokyo Electric Power Co. (Tepco) rief am Samstag Unternehmen und Bewohner auf, Strom zu sparen. Tepco betreibt auch das Atomkraftwerk Fukushima 1.
Nachbeben
In weiten Teilen Japans bebte die Erde auch am Samstagmorgen. Die Menschen im Großraum Tokio wurden von einer neuen schweren Erschütterung aufgeschreckt. Auch in der Provinz Nagano gab es starke Nachbeben. Das japanische Fernsehen zeigte Bilder von großflächigen Überschwemmungen an der Küste. Viele Menschen verbrachten die eiskalte Nacht frierend im Freien auf den Dächern umfluteter Häuser.
Im gesamten Pazifikraum waren nach dem Beben in etwa 50 Ländern zeitweise Tsunami-Warnungen ausgelöst worden. In Kalifornien wurde ein junger Mann von der Welle mitgerissen und ertrank. Auf Taiwan, den Philippinen, an der südamerikanischen Küste und an der US-Westküste blieb eine größere Flutwelle jedoch aus. In Ecuador waren mehr als 260.000 Menschen aus küstennahen Regionen in Sicherheit gebracht worden, in Chile wurden ebenfalls Zehntausende Bewohner aus tief gelegenen Küstenstrichen in höheres Gelände gebracht.
Die Welle erreichte nach einem Weg von fast 16.000 Kilometern zuerst die Galapagosinseln weit vor der Küste Ecuadors und die zu Chile gehörende Osterinsel. Von den Galapagosinseln wurden einige Überschwemmungen gemeldet, die Osterinsel sei nur von einer kleinen Welle getroffen worden, teilten die Behörden mit.
Internationale Hilfe
International wurde der japanischen Regierung Hilfe angeboten. Das gerade erst von einem schweren Erdbeben heimgesuchte Neuseeland schickte ein Team mit 48 Rettungskräften nach Japan. Auch Australien bot Hilfe an. Die USA schickten rund 140 Katastrophenhelfer. Die Teams würden zudem 75 Tonnen Hilfsmaterial und Suchhunde mit in das Land bringen, teilte die US-Behörde für Internationale Entwicklung mit. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten bereits zur Unterstützung einen Flugzeugträger nach Japan entsandt.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Katastrophe hat die belgische Regierung den japanischen Behörden Hilfe angeboten. Premierminister Leterme erklärte, das belgische Interventionsteam B-FAST könnte unverzüglich in das Katastrophengebiet abreisen. Das Team könnte ein Feldlazarett für mehrere hundert Obdachlose nach Japan bringen sowie Wasseraufbereitungsanlagen und weitere Hilfen für Opfer einer Naturkatastrophe. Noch am Vormittag wollen die belgischen Spezialisten den japanischen Behörden konkrete Vorschläge unterbreiten.
Die belgische Botschaft in Tokio ist bemüht, Kontakt zu den in Japan lebenden Belgiern herzustellen. Nach Angaben des Außenministeriums leben derzeit etwa 700 Belgier in Japan, die meisten davon in der Hauptstadt Tokio. Zur Zeit ist nicht bekannt, ob unter ihnen Opfer der Katastrophe sind. Nach Auskunft der Reiseveranstalter ist kein belgischer Tourist bei dem Erdbeben zu Schaden gekommen.
Martin Fischer und Lars Nicolaysen (dpa) - Bild: Tokyo Electric Power