Gegen alle Appelle des Westens setzt der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi seine Militäroffensive fort. Die Aufständischen leisten erbitterten Widerstand und kontrollieren weite Teile im Osten des Landes. Die Zahl der Toten und Verletzten stieg am Montag weiter.
Vor allem entlang der Küstenlinie versuchen die Truppen Gaddafis, an die Rebellen verlorene Städte zurückzuerobern. Dabei rücken sie mit Hubschraubern, Kampfflugzeugen und Panzern vor.
Ein Brennpunkt des Konflikts ist die nach Tripolis und Bengasi drittgrößte Stadt Misurata im Westen des Landes, wo sich Gaddafis Truppen zuletzt Häuserkämpfe mit den Rebellen lieferten. Salah Badi, der Kommandeur der Aufständischen in Misurata, sagte der Nachrichtenagentur dpa, momentan sei die Lage in der Stadt ruhig, nachdem in der Nacht die Truppen Gaddafis mit 42 Militärfahrzeugen und sieben Panzern in die Stadt eingedrungen seien.
Die Soldaten hätten sich heftige Gefechte mit den Aufständischen geliefert und sich dann wieder aus der Stadt zurückgezogen. Zwei Panzer seien von den Regimegegnern zerstört worden. 24 Soldaten und Söldner sowie 17 Aufständische und ein zwei Jahre altes Mädchen seien ums Leben gekommen, sagte Badi.
Auch im Osten wurde rund um Bin Dschawad an der Mittelmeerküste gekämpft. In dem Ort, der am Wochenende zunächst von den Rebellen eingenommen und dann von Gaddafis Truppen zurückerobert worden war, starben am Sonntag nach Angaben eines Krankenwagenfahrers sieben Menschen. 65 Menschen seien zum Teil schwer verwundet worden.
Weitere Schauplätze des Konflikts sind Al-Sawija 50 Kilometer westlich von Gaddafis wichtigster Machtbasis Tripolis, dessen Heimatstadt Sirte und Ras Lanuf. Der Fahrer eines Krankenwagens sagte, seit Sonntag seien 59 Verletzte in das Krankenhaus von Ras Lanuf gebracht worden. In der Klinik würden auch ein französischer Reporter und ein amerikanischer Journalist behandelt, die beide während ihrer Berichterstattung von der Front verletzt worden seien.
Der libysche Machthaber versucht offenbar, gezielt Verwirrung zu stiften. So soll Gaddafi in Tripolis Waffen und Munition an junge Männer verteilt haben, damit diese die Hauptstadt in ein Chaos stürzen.
Gaddafi ins Exil?
Indessen soll Gaddafi Kontakt zum Nationalrat der Aufständischen in Bengasi aufgenommen haben, angeblich um vorzuschlagen, dass er mit seiner Familie ins Exil geht. Dabei soll er als Bedingung genannt haben, dass er mitsamt seinem Vermögen ausreisen kann, wie die arabische Zeitung 'Al-Sharq Al-Awsat' berichtete. Die Übergangsregierung der Aufständischen habe auf diesen Vorschlag, der ihnen von einem Vermittler unterbreitet worden sei, noch nicht reagiert.
Die Vereinten Nationen baten angesichts der Not der Zivilisten in Libyen um Spenden in Höhe von 160 Millionen Dollar (114 Millionen Euro). Damit soll die humanitäre Hilfe für die kommenden drei Monate gesichert werden. Mit dem Geld sollen Flüchtlinge und die Menschen im Land selbst unterstützt werden - unter anderem mit Lebensmitteln und medizinischer Hilfe.
Die Vereinten Nationen und die EU wollen laut VRT mit dem libyschen Staatschef Gaddafi verhandeln. Dabei geht es vor allem um humanitäre Hilfe und die Sicherheit von Ausländern in Libyen. Nach Angaben der EU-Kommission sind von insgesamt 200.000 Menschen, die aus Libyen über die Grenzen nach Tunesien und Ägypten geflohen sind, bisher etwa 60.000 in Sicherheit gebracht worden.
Rasmussen: Nicht tatenlos hinnehmen, dass die libysche Regierung das eigene Volk bekämpft
International werden Rufe nach einer Militärintervention lauter. "Wenn Gaddafi und seine Militärs weiterhin die libysche Bevölkerung systematisch angreifen, kann ich mir nicht vorstellen, das die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen tatenlos dabei zuschauen", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Montag in Brüssel. Die Verletzung der Menschenrechte durch die Herrschenden sei ungeheuerlich. Es handele sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Rasmussen bekräftigte, die Nato werde vorbereitet sein, falls der UN-Sicherheitsrat eine Flugverbotszone über Libyen genehmige. Derzeit sei ein Militäreinsatz aber nicht geplant, weil es kein UN-Mandat gebe. Spanien würde unter bestimmten Bedingungen daran teilnehmen, berichtete die Zeitung 'El País' unter Berufung auf Madrider Regierungskreise. Der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel sprach sich ebenfalls für einen Militäreinsatz aus. Die ganze Welt habe Muammar al-Gaddafi lange für einen kuriosen Clown gehalten, tatsächlich sei der libysche Staatschef aber ein "verrückter Verbrecher", sagte Havel der Zeitung Hospodarske Noviny.
Ein Vertreter des von den Aufständischen gegründeten Nationalrats sagte dem Sender Al-Dschasira, die Einrichtung einer Flugverbotszone sei überfällig, um Zivilisten vor den Bomben des Diktator zu schützen. In der US-Regierung mehren sich allerdings die skeptischen Stimmen zu einer solchen Maßnahme.
dpa/vrt/okr/km - Bild: Kim Ludbrook (epa)