Die streitenden Parteien zeigen ihre Schreckens-Instrumente: In Nordrhein-Westfalen könnte den Wählern noch in diesem Jahr eine neue Abstimmung bevorstehen. Erstmals hat die SPD offen mit Neuwahlen gedroht und der CDU eine nahezu unerfüllbare Bedingung gestellt.
Sollten die Christdemokraten erneut vor den Verfassungsgerichtshof in Münster ziehen, werde die SPD sofort diesen Schritt anstreben. Die CDU gibt sich unbeeindruckt: «Wenn die SPD die Neuwahlen will, bekommt sie sie», sagte ihr Generalsekretär Oliver Wittke am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa.
Die Befragung durch die Verfassungsrichter des Landes war quälend und glich einem Spießrutenlauf: Die Richter nahmen auf Antrag der Opposition die Rekordverschuldung des Landes in Form des Nachtragshaushalts 2010 unter die Lupe. Was sich am 15. Februar vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster abspielte, braucht aus Sicht von SPD und Grünen gewiss keine Wiederholung.
Doch die «vorsorgende Finanzpolitik», wie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ihre Mehrausgaben für Wahlversprechen und eine geplante Neuverschuldung von 7,1 Milliarden Euro für 2011 nennt, soll sogar möglichst bald ebenfalls den Verfassungsrichtern vorgelegt werden, haben führende CDU-Politiker angekündigt.
Die "Schuldenkönigin"
Sie krönen Kraft zur «Schuldenkönigin» und frohlocken, ein Vehikel gefunden zu haben, um die weitgehend geräuschlose, von den Linken faktisch tolerierte rot-grüne Regierungspolitik in NRW effektvoll anzugreifen. Kraft sei «die einzige Regierungschefin in Europa, die Schuldenpolitik zu ihrem Konzept erkoren hat», höhnt der CDU-Generalsekretär.
Aber hinter der Ankündigung der SPD könnte mehr als Theaterdonner und die Absicht stecken, in der öffentlichen Diskussion den Spieß umzudrehen. Sollte das Urteil der Verfassungsrichter am 15. März künftiger Verschuldung engere Grenzen stecken und den Etatentwurf für 2011 in Altpapier verwandeln, steckt die rot-grüne Minderheitsregierung in der Klemme.
Eine Kaiserin ohne Kleider
Einem vom Gericht verordneten Sparkurs würden die Linken die Gefolgschaft verweigern. Und die zentralen Projekte von Rot-Grün ließen sich ohne die geplante Neuverschuldung von 7,1 Milliarden Euro dann nicht verwirklichen. Kraft stünde wie eine Kaiserin ohne Kleider da.
Andererseits hat Rot-Grün in NRW laut Umfragen seit Monaten eine stabile Mehrheit, und Kraft könnte auch von ihren positiven Umfragewerten als Regierungschefin profitieren. Ohne die Linke als Zünglein an der Waage wären auch Einschnitte in den Landeshaushalt denkbar. Doch die Rechnung hat mehrere Unbekannte: Wie der politische Wind nach den nächsten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg weht, wissen nur die Auguren.
Frank Christiansen (dpa) - Bild: epa