Truppen des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi versuchen, im Osten des Landes verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Am Mittwoch lieferten sie sich mit Aufständischen heftige Kämpfe um die Öl-Stadt Al-Brega.
Gaddafi ließ sich derweil von seinen Anhängern in Tripolis bejubeln. Bei einer Feierstunde zum «34. Jahrestag der Herrschaft des Volkes» sagte er, das libysche Volk werde die Öl-Felder «mit Waffen verteidigen». Chinesische und indische Öl-Firmen sollten die Verträge der westlichen Öl-Konzerne in Libyen übernehmen.
Hunderte Anhänger applaudierten Gaddafi während seiner mehrstündigen Rede im Festsaal des Militärstützpunkts Bab al-Asisija in Tripolis. Sie riefen: «Gott, Muammar, Libyen und sonst nichts.» Das libysche Staatsfernsehen übertrug die Feier. Gaddafi wirkte gelöst und zufrieden. Der «Bruder Revolutionsführer» hatte sich 1969 an die Macht geputscht und 1977 die Staatsgewalt formal in die Hand des Volkes gelegt.
Das Volk hat die Macht
Gaddafi betonte, in Libyen habe bis heute das Volk die Macht, «kein Präsident und keine Regierung». Er selbst habe sich nach der Revolution von 1969 in sein «Zelt» zurückgezogen. «Ich habe kein Amt, von dem ich zurücktreten kann», betonte er. Für den Aufstand in mehreren libyschen Städten machte er «Al-Kaida-Zellen und libysche Rückkehrer aus Guantánamo» verantwortlich. Gaddafi sprach von sich selbst in der 3. Person und nannte sich «der Führer».
Sein Sohn Seif al-Islam sagte in einem Interview der französischen Tageszeitung «Le Figaro» ein baldiges Ende des Aufstandes voraus. «In zwei Tagen wird alles wieder den gewohnten Gang nehmen», prophezeite er. Die Lage sei ausgezeichnet und vom Fall des Regimes gar keine Rede. Die Situation im Osten des Landes sei etwas chaotisch, doch werde auch dort bald Ruhe einkehren, erklärte er weiter. Saif al-Islam Gaddafi gestand, dass es bei den Protesten mehrere hundert Tote gegeben hat, bestritt jedoch erneut Luftangriffe auf Zivilisten.
Der Kampf um Al-Brega
In der Stadt Al-Brega - im Sirte-Becken westlich der von Aufständischen eingenommenen Stadt Adschdabija - griffen Gaddafi-treue Truppen die Öl-Anlagen, den Flughafen und mehrere Wohnviertel an. Medienberichte, wonach die Soldaten das Flugfeld unter ihre Kontrolle gebracht hätten, wurden von den Aufständischen zurückgewiesen.
Die Truppen seien zurückgedrängt worden, sagte der zu den Regimegegnern übergelaufene Polizeikommandeur Nuri al-Obeidi aus Bengasi der Nachrichtenagentur dpa. Die Gaddafi-Gegner würden dabei Waffen benutzen, die sie von der libyschen Armee erbeutet hätten.
Die Oppositions-Website «Libya al-Youm» meldete, am Morgen seien Soldaten in etwa 20 Fahrzeugen am Eingangstor der staatlichen Öl-Gesellschaft in Al-Brega aufgetaucht. Sie hätten einen Wächter des Unternehmens getötet, bevor sie weitergefahren seien in Richtung Flughafen. Augenzeugen sprachen im Nachrichtensender Al-Arabija von 20 Toten. In Adschdabija seien 16 Menschen getötet worden, hieß es.
Aus gut informierten Kreisen in Tripolis hieß es, Gaddafis Truppen kesselten Al-Brega ein. Über der Stadt kreisten Kampfflugzeuge. Luftangriffe habe es zunächst aber nicht gegeben. Dies werde wegen der Öl-Anlagen als zu gefährlich eingestuft, hieß es in der Hauptstadt. Al-Brega verfügt über einen Öl-Hafen und eine Raffinerie.
Die Arabische Liga
Die Außenminister der Arabischen Liga verurteilten bei einem Treffen in Kairo am Mittwoch die Angriffe auf Zivilisten und friedliche Demonstranten in Libyen. Gleichzeitig erklärten sie: «Wir lehnen jede ausländische Einmischung in Libyen ab.»
Abdulhamid Salim al-Haasi, ein Sprecher der libyschen Exil-Opposition in London, sagte der Nachrichtenagentur dpa, mehrere libysche Botschafter und Minister, die in den vergangenen Tagen aus Protest gegen Gaddafis Politik zurückgetreten waren, hätten auf Befehl aus Tripolis gehandelt. «Wir können uns keinen Reim darauf machen, welche Strategie Gaddafi damit verfolgt, aber wir haben diese Information von einer sehr glaubwürdigen Quelle im libyschen diplomatischen Korps», erklärte er.
Sabine Glaubitz, Abdulhamid al-Schuwaidy und Anne-Béatrice Clasmann (dpa) - Bild: Mohamed Messara (epa)