International ist der Ex-Präsident bis heute ein gefragter Diskussionsgast. In der russischen Tagespolitik allerdings ist seine Stimme kaum zu vernehmen. Viele seiner Landsleute sehen Gorbatschow als Zauderer, der das Land ins Chaos gestürzt habe.
Gorbatschow gilt als einer der Väter der Deutschen Einheit. Sein Name steht auch für eine historische atomare Abrüstung, die er mit US-Präsident Ronald Reagan auf den Weg brachte. Als die Sowjetunion aber 1991 zerfiel, ging auch die Ära Gorbatschow zu Ende.
Heute leitet Gorbatschow in Moskau eine nach ihm benannte Politikstiftung.
Stichwort: Glasnost und Perestroika
Nach Jahrzehnten der Willkür und Unfreiheit in der Sowjetunion leitete der damalige Parteichef Michail Gorbatschow schon kurz nach Amtsantritt 1985 einen historischen Reformkurs ein. Mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) wollte er das marode wirtschaftliche und politische System des Landes vor dem Zerfall retten und stabilisieren.
Zudem gab Gorbatschow den Menschen in der starr von oben gelenkten Sowjetunion mehr Freiheiten. Er brach auch mit zahlreichen Tabus. So benannte Gorbatschow in einer für den Kreml bis dahin ungekannten Offenheit die Verbrechen unter Sowjetdiktator Stalin, insbesondere das Massaker an tausenden polnischen Offizieren 1940 in Katyn. Er legte auch ein geheimes Zusatzprotokoll zum Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt von 1939 offen. Nach einem rund zehnjährigen militärischen Abenteuer am Hindukusch mit vielen Toten befahl er 1988 den sowjetischen Truppenabzug aus Afghanistan.
Den Ländern des Warschauer Pakts ermöglichte Gorbatschow, ihre Staatsform selbst zu bestimmen. Zuvor waren Reformbewegungen wie der Prager Frühling in der Tschechoslowakei oder wie in Ungarn blutig niedergeschlagen worden. Die neue Freiheit führte zu einem Ende des Kalten Kriegs und ermöglichte 1990 die deutsche Wiedervereinigung.
Während Gorbatschow für seine mutigen Schritte im Ausland geehrt wurde, zum Beispiel 1990 mit dem Friedensnobelpreis, nahm die Kritik in seiner Heimat zu. Zu seinen umstrittenen Initiativen gehörte ein Alkoholverbot. Auch die zögerliche Informationspolitik nach der Reaktor-Katastrophe 1986 in Tschernobyl wurde ihm angekreidet.
Gorbatschow: Von der Kolchose in den Kreml
2. März 1931: Geburt im nordkaukasischen Dorf Priwolnoje (Region Stawropol). Als Sohn von Kolchose-Bauern arbeitet er zunächst als Mähdreschermechaniker. Für den Wehrdienst ist er untauglich.
1950: Jura-Studium an der Moskauer Lomonossow-Universität. Dort lernt Gorbatschow auch seine spätere Frau Raissa (1932-1999) kennen.
1952: Nach dem Beitritt zur Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) folgt ein steiler politischer Aufstieg. Er wird 1971 Mitglied des Zentralkomitees und 1980 Mitglied des Politbüros. Als Repräsentant des Obersten Sowjets gestaltet er Kreml-Politik mit.
11. März 1985: Gegen den Widerstand kommunistischer Altkader wird er mit 54 Jahren zum zweitjüngsten Generalsekretär der KP-Geschichte gewählt. Gorbatschow packt eine historische Reformpolitik von Glasnost und Perestroika an.
1988: In einer Rede vor den Vereinten Nationen in New York kündigt er einseitige Abrüstungsschritte an. Das Echo ist weltweit positiv. Zudem zieht Gorbatschow nach zehnjährigem militärischem Fiasko die sowjetischen Truppen aus Afghanistan ab.
7. Oktober 1989: Bei einem Besuch in Ost-Berlin kommt es zur berühmten Formulierung "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben".
16. Juli 1990: Gorbatschow stimmt im Kaukasus bei einem Treffen mit Bundeskanzler Helmut Kohl der deutschen Wiedervereinigung zu.
1990: Gorbatschow, der nun offiziell den Amtstitel Sowjetpräsident trägt, erhält den Friedensnobelpreis. Das Staatsoberhaupt spiele eine führende Rolle im Friedensprozess, begründet das Komitee die Wahl.
25. Dezember 1991: Gorbatschow übersteht zwar einen Putsch von KP-Funktionären. Aber immer mehr Sowjetrepubliken sagen sich von Moskau los. Als Folge des Machtzerfalls tritt Gorbatschow als Präsident zurück.
1992: Er gründet in Moskau die Gorbatschow-Stiftung.
dpa/sh/km - Archivbild: Armin Weigel (epa, Juli 2008)