Nach der Gewalt und dem Blutvergießen vom Freitag herrscht in der libyschen Hauptstadt Tripolis angespannte Ruhe. In der Nacht zum Samstag hätten Sicherheitskräfte sieben Demonstranten getötet, berichtete der arabische Fernsehsender Al-Dschasira. Milizen Gaddafis hätten Straßensperren und Kontrollposten in der Millionenmetropole am Mittelmeer errichtet.
Geschäfte und Banken blieben auch am Samstag geschlossen. Auch in den Schulen fiel entgegen einer offiziellen Ankündigung der Unterricht aus. "Selbst wenn die Schulen geöffnet würden, hat jeder Angst, seine Kinder in die Schule zu schicken. Wir hören den ganzen Tag über Gewehrschüsse", sagte ein Einwohner von Tripolis in einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Gaddafi entgleitet Kontrolle
Libyens Staatschef Muammar el-Gaddafi hat sich mit regimetreuen Einheiten in der Millionenmetropole am Mittelmeer verschanzt. Die Opposition spricht davon, dass Tripolis die letzte Bastion sei, über die der Gaddafi-Clan noch die Kontrolle habe. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira berichtete am Samstagnachmittag, dass Gaddafis Sicherheitskräfte und Milizen selbst in einigen Stadtvierteln von Tripolis die Kontrolle entglitten sei.
In der Stadt Sawija, die auf dem Weg zur tunesischen Grenze liegt, hätten regierungstreue Soldaten ein Blutbad und Chaos angerichtet, berichtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Samstag. Demnach feuerten Sicherheitskräfte auf Demonstranten. Darüber hinaus terrorisierten Milizen ägyptische Gastarbeiter. Hunderte versuchten, zu fliehen und sich in Tunesien in Sicherheit zu bringen.
Darüber hinaus schüchtern regimetreue Sicherheitskräfte die Bevölkerung ein. Ein Ägypter berichtete, dass Soldaten von Haus zu Haus gegangen seien und auf Eingangstüren gefeuert hätten, damit die Menschen ihre Häuser nicht verließen. Viele Bewohner hätten keine Lebensmittelvorräte mehr.
Gaddafi lässt Fotobeweise konfiszieren
Sicherheitskräfte des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi wollen Fotobeweise für das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten vernichten. Demnach müssen tausende Ausreisewillige an der Grenze zu Tunesien ihre Mobiltelefone sowie die Speicherkarten von Fotoapparaten abgeben, sagte ein Augenzeuge. Die Grenze werde durch libysche Sicherheitskräfte sowie "afrikanische Söldner" gesichert. Auf der 250 Kilometer langen Strecke von Tripolis bis zur tunesischen Grenze gibt es nach Berichten von Augenzeugen inzwischen rund 30 Kontrollpunkte.
Angesichts der Gewalt in Libyen haben zahlreiche Länder ihre Staatsbürger in Sicherheit gebracht. Auf der griechischen Insel Kreta trafen knapp 3.000 chinesische Arbeiter ein, auf Malta mehrere hundert Briten. Indien startete eine breit angelegte Evakuierungsaktion, mit der rund 18.000 Inder aus Libyen in Sicherheit gebracht werden sollen.
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dpa/afp/rkr/km - Bild: Ciro Fusco (epa)