Nach einer Woche Aufstand und vielen hundert Todesopfern haben die Gegner von Staatschef Muammar al-Gaddafi nach eigenen Angaben fast ganz Libyen unter ihre Kontrolle gebracht.
Überall im Land seien Armee-Einheiten und Sicherheitskräfte übergelaufen, sagten ranghohe libysche Funktionäre, die auf Distanz zu Gaddafi gegangen sind, der Nachrichtenagentur dpa. Die Aufständischen beherrschten bereits 90 Prozent des Landes. Nachdem am Montag zahlreiche libysche Diplomaten aus Protest gegen den Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten ihren Rücktritt erklärt hatten, sagen sich nun nach Angaben der Opposition auch immer mehr der in Libyen äußerst einflussreichen Stämme von ihm los.
Aus Furcht vor neuerlichen Gewaltorgien startete das Ausland eine große Rückholaktion für Staatsbürger aus dem nordafrikanischen Land. Deutschland, Frankreich, Griechenland und Ägypten organisierten Evakuierungsflüge.
Angeblich Ankündigung "großer Reformen"
Für den Abend kündigte der Nachrichtensender Al-Arabija eine Ansprache Gaddafis an, in dem der Oberst «große Reformen» in Aussicht stellen wolle. Im Staatsfernsehen war Gaddafi in der Nacht zum Dienstag Gerüchten über seine Flucht entgegengetreten. Nach Angaben eines abtrünnigen Diplomaten soll sich der Staatschef in einer Kaserne in Tripolis verschanzt haben.
Die Opposition geht von bislang 560 Toten bei den Ausschreitungen und brutalen Übergriffen der Sicherheitskräfte aus. Das Ausmaß der Gewalt in dem nordafrikanischen Land blieb weiterhin unübersichtlich. Gaddafi-treue Einheiten sollen in den vergangenen Tagen schwere Waffen gegen die Opposition eingesetzt haben. Allein in der von Regimegegnern kontrollierten Stadt Bengasi sollen bislang etwa 400 Menschen ums Leben gekommen sein. Der Nachrichtensender Al-Arabija meldet, etwa 1400 Menschen würden noch vermisst.
Reaktionen aus dem Ausland
Guy Verhofstadt hat die Haltung der EU-Außenminister in der Libyen-Krise scharf kritisiert. Der Fraktionssprecher der Liberalen im Europäischen Parlament nannte das Ergebnis des Treffens am Montag in Brüssel "eine Schande". Europa hätte härter auf die Gewalt des Gaddafi-Regimes gegen Demonstranten reagieren müssen.
Das brutale Vorgehen der libyschen Führung gegen die Demonstranten beschäftigt heute den UN-Sicherheitsrat und die Arabische Liga. Beide Gremien kommen zu Sondersitzungen zusammen.
Kundgebungen im Jemen und in Bahrain
Auch aus anderen arabischen Staaten werden wieder Proteste gegen die Regierung gemeldet. Im Jemen gingen tausende Menschen auf die Straße, um den Sturz von Präsident Saleh zu fordern. Betroffen waren neben der Hauptstadt Sanaa auch Städte im Osten des Landes.
Im Inselstaat Bahrain kam es ebenfalls zu einer Kundgebung. Die Agentur AFP berichtet, die Demonstranten in Manama hätten erneut Parolen gegen König al-Chalifa skandiert.
dpa/belga/alk/km - Archivbild epa