In einem formellen Brief habe Italien von der EU-Kommission 100 Millionen Euro verlangt, um dem Notstand begegnen zu können, sagte Innenminister Maroni am Montagabend in Rom. Zugleich kündigte er den Einsatz von 200 zusätzlichen Soldaten zur Kontrolle der Auffanglager an.
In den vergangenen Tagen waren rund 5000 Tunesier mit Booten auf der Insel Lampedusa gelandet. Etwa die Hälfte wurde inzwischen auf das italienische Festland gebracht.
Außerdem sucht Italien mit Schiffen, Hubschraubern und Flugzeugen nach weiteren Flüchtlingen. Die Überfahrt in kleinen Booten ist derzeit wegen starken Seegangs und hohen Wellen sehr gefährlich.
Lampedusa übervölkert
Auf Lampedusa sollen sich noch rund 2000 Immigranten in dem für nur etwa 800 Personen konzipierten Hauptflüchtlingslager befinden. Die nur 20 Quadratkilometer große Insel südlich von Sizilien zählt selbst nur 4500 Einwohner. Der Bürgermeister der Insel, Dino de Rubeis, habe ein Alkohol-Ausgabe-Verbot für Immigranten verhängt, um Unruhen vorzubeugen, hieß es in Medienberichten.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR berichtete, mindestens vier Menschen seien bei der Flucht aus Tunesien nach Lampedusa ertrunken. Es bestehe die Befürchtung, dass Menschenhändler gerade junge Leute in Tunesien dazu überredeten, ein besseres Leben in Europa zu suchen. UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming erklärte am Dienstag in Genf, die meisten der mehr als 5000 Flüchtlinge seien junge Männer. Das UNHCR wisse aber auch von mindestens 20 Frauen und mehr als 200 Minderjährigen, von denen die meisten ohne Begleitung seien, sagte Fleming.
Ein Marshall-Plan
Der italienische Außenminister Franco Frattini sprach sich unterdessen erneut für einen «Marshall-Plan» für Tunesien aus. «Italien ist bereit, Tunesien zu unterstützen - mit Mitteln und über die 800 italienischen Firmen, die bereits in dem nordafrikanischen Land präsent sind», erklärte Frattini am Dienstag in einem Radiointerview. Am sinnvollsten sei eine «ökonomisch begleitete Rückführung der Flüchtlinge». Italien sei hierzu bilateral bereit, brauche jedoch die Hilfe Europas. Frattini war am Montag mit dem Chef der Übergangsregierung, Mohamed Ghannuchi, in Tunis zusammengetroffen.
Den Vorschlag des italienischen Innenministers Roberto Maroni, das Militär einzusetzen, um die Flüchtlingswelle zu stoppen, hatte Tunis am Vortag kategorisch abgelehnt. Maroni befürchtete, die Zahl der Flüchtlinge könnte bis auf 80.000 steigen.
EU reagiert
Die EU reagierte am Dienstag auf die italienischen Hilfsforderungen. «Wir wollen Italien finanzielle Hilfe gewähren und bereiten einen Einsatz der EU-Agentur Frontex vor», sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Die Notfallhilfe könne «sehr rasch» erfolgen und aus dem europäischen Flüchtlingsfonds kommen.
Ashton in Tunis: 17 Millionen Euro Hilfe
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wich bei ihrem ersten Besuch in Tunis seit dem Sturz Ben Alis vor einem Monat Fragen nach dem Migrationsproblem aus. Darüber werde in Brüssel beraten, sagte sie. Ashton sagte den Tunesiern auf ihrem Weg zur Demokratie Hilfen in Höhe von 17 Millionen Euro zu.
Inzwischen ist der Flüchtlingsstrom von Tunesien nach Italien praktisch versiegt - möglicherweise eine Folge der stärkeren Kontrolle der Küsten Tunesiens. Die Übergangsregierung in Tunis hatte am Montag damit begonnen, Küstenstreifen abzuriegeln. Hintergrund des Flüchtlingsstroms ist der nach dem Sturz von Präsident Zine el Abidine Ben Ali vernachlässigte Grenzschutz in dem nordafrikanischen Mittelmeerland.
dpa/jp/km - Bild: Ciro Fusco (epa)