
Über die Zahl der Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Augenzeugen berichteten von weiteren Plünderungen und verschärften Kontrollen des Militärs. In der Nacht waren die Polizisten beschossen worden, die das Innenministerium bewachen.
Übergangspräsident Foued Mebazaa soll nun Neuwahlen vorbereiten. Der 77-Jährige war schon der zweite Übergangspräsidenten, der nach der überstürzten Flucht von Ben Ali ernannt worden war. Nachdem sich der Langzeit-Präsident ins Exil abgesetzt hatte, war zunächst Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi mit den Amtsgeschäften betraut worden.
Seit der Flucht von Ben Ali gilt in Tunesien der Ausnahmezustand. Ex-Präsident Ben Ali hatte das Land 23 Jahre in autoritärer Herrschaft regiert und hinterließ Gewalt und Chaos.
Auslöser seines Sturzes waren Massenproteste gegen Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Sie hatten sich in der vergangenen Woche zu einem Volksaufstand ausgeweitet. Seit Beginn der Unruhen waren mehr als 130 Menschen ums Leben gekommen.
Gaddafi «schmerzhaft berührt»

Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi reagierte auf die Umwälzungen im Nachbarland mit scharfer Kritik. Zu den neuen Machthabern, die Ben Ali nach 23 Jahren im Amt ablösten, sagte er: «Ich kenne diese neuen Leute nicht, aber wir alle kennen Ben Ali und die Veränderungen, die in Tunesien erzielt wurden. Warum zerstört ihr dies alles?».
Er sei «schmerzhaft berührt», von dem, was in Tunesien geschehe, sagt er am Samstagabend im libyschen Fernsehen weiter. «Tunesien hat sich jetzt in ein Land verwandelt, das von Banden regiert wird», kritisierte Gaddafi, der selbst seit 40 Jahren an der Macht ist.
Belgier in Tunesien sollen Häuser verlassen
In Tunesien leben derzeit etwa 1400 Belgiern. Die belgische Botschaft hat ihnen geraten, ihre Häuser zu verlassen und in ein Hotel zu gehen, falls sie in einem besonders gefährdeten Viertel von Tunis wohnen.
Bisher wollten nur wenige Belgier nach Hause zurückkehren. Belgien verzichtet vorerst darauf, seine Botschaftsangehörigen aus Tunis zurück zu rufen. England hat damit bereits begonnen.
Gestern sind in Brüssel vier Maschinen mit belgischen Touristen aus Tunesien gelandet. Heute werden voraussichtlich die letzten belgischen Touristen den Rückflug aus dem Krisenland antreten. Thomas Cook hat bereits all seine Kunden ausgeflogen, Jetair wird den Rücktransport heute beenden.
vrt/dpa/sh/jd