In seiner ersten Rede nach der Wahl kündigte Lula an, das Land versöhnen zu wollen. "Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren. Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk", sagte Lula in São Paulo. Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wieder herzustellen.
Der frühere Gewerkschafter Lula hatte das größte Land in Lateinamerika bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert. Er ist der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht. Tausende Anhänger des Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) feierten Lulas Sieg auf der Prachtstraße Avenida Paulista in der Millionenmetropole São Paulo.
Noch keine Stellungnahme von Bolsonaro
Bolsonaro äußerte sich auch zwei Stunden nach Lulas Wahlsieg noch nicht. Aber Verbündete des Amtsinhabers erkannten Lulas Wahlsieg an.
Es war befürchtet worden, dass es vor allem nach einem knappen Wahlausgang zu Gewalt kommen könnte. Bolsonaro hatte mehrfach Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen.
Seit der Lockerung der Waffengesetze in seiner Amtszeit haben viele seiner Unterstützer ordentlich aufgerüstet. Erst am Samstag verfolgte eine Abgeordnete von Bolsonaros Liberalen Partei (PL) einen Mann nach einem Streit mit vorgehaltener Waffe. Einige Anhänger des Amtsinhabers forderten auch unverhohlen einen Militärputsch. Experten sehen dafür in Gesellschaft und den Streitkräften allerdings keine ausreichende Unterstützung.
Die Präsidentenwahl hat die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas extrem gespalten. Der ohnehin erbittert geführte Wahlkampf war im Endspurt immer schmutziger geworden. Die Brasilianer wurden vor allem in sozialen Medien und Whatsapp-Gruppen von einer Flut von Falschinformationen überschwemmt. Die Fernsehdebatten, in denen Lula und Bolsonaro sich gegenseitig mit Vorwürfen überzogen, wirkten dagegen geradezu gesittet.
Viele Anhänger des 77-Jährigen verbinden Lula mit den goldenen Zeiten Brasiliens, als die Wirtschaft aufgrund der hohen Rohstoffpreise boomte und die Regierung mit Hilfe von Sozialprogrammen Millionen Menschen aus der bittersten Armut holte. Für seine Gegner hingegen ist Lula verantwortlich für Korruption und Vetternwirtschaft.
2018 war Lula selbst wegen Korruption und Geldwäsche zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden und verbrachte 580 Tage im Gefängnis. Im vergangenen Jahr hob ein Richter am Obersten Gerichtshof das Urteil aus formalen Gründen auf. Lula erhielt seine politischen Rechte zurück und kehrte bald auch wieder auf die politische Bühne zurück.
Lula: "Brasilien ist zurück"
Die Unterstützer von Bolsonaro sehen ihren Staatschef als Verteidiger traditioneller Familienwerte und wirtschaftlicher Freiheit und als Bollwerk gegen den angeblich drohenden Kommunismus. Allerdings stieß er mit seinen zum Teil vulgären Ausfällen gegen Frauen, Homosexuelle und Indigene auch viele Menschen vor den Kopf. Durch seine Blockade beim Klimaschutz, seine eigenwillige Corona-Politik und seine Angriffe auf demokratische Institutionen wie den obersten Gerichtshof isolierte er Brasilien auf der Weltbühne immer mehr.
"Brasilien ist zurück", sagte Lula. Es sei zu groß, um zum Paria der Welt herabgestuft zu werden. Die Wahl in Brasilien hat auch international eine wichtige Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Zudem ist Brasilien mit seinen enormen natürlichen Ressourcen, dem hohen Anteil an grüner Energie und der großen Agrarwirtschaft ein potenziell wichtiger Handelspartner.
Feiern und Proteste nach Präsidentenwahl
Bei Feiern nach der Präsidentenwahl in Brasilien ist ein 27 Jahre alter Mann erschossen worden. Vier weitere Personen seien in der Stadt Belo Horizonte verletzt worden, berichteten örtliche Medien unter Berufung auf die Militärpolizei.
Das Todesopfer habe in einem Lokal den Wahlsieg des linken Ex-Präsidenten Lula da Silva gefeiert. Dort hätten sowohl Anhänger Lulas als auch des abgewählten rechten Amtsinhabers Bolsonaro die Stimmenauszählung verfolgt. Offen blieb zunächst, ob die Tat einen politischen Hintergrund hat. Der alkoholisierte Schütze sei festgenommen worden.
dpa/sh/est