Es war das erste Mal, dass Salah Abdeslam das Wort im Prozess ergriff. Bisher hatte er sich immer auf sein Schweigerecht berufen. Fast drei Stunden lang beantwortete er Fragen zu seiner Beteiligung an den Pariser Terroranschlägen. Abdeslam schilderte erstmals im Detail, weshalb er seine Sprengstoffweste, wie er es darstellte, bewusst nicht gezündet hat. Er habe sich zunächst in das Café im 18. Arrondissement von Paris begeben, wo er sich nach den Plänen der Terrorzelle hätte in die Luft sprengen sollen. "Ich bin in das Café hereingegangen, habe ein Getränk bestellt, ich habe die Leute um mich herum gesehen und ich habe mir gesagt, ich werde es nicht tun", erklärte er vor Gericht. Er habe "aus Menschlichkeit" gehandelt.
Für die Angehörigen der Opfer ist diese Aussage nur schwer nachzuvollziehen. Arthur Dénouveaux ist Vorsitzender des Opferverbandes "Life for Paris". Er nennt Abdeslams Erklärung eine nette Ausrede und hofft, dass die Fragen der Zivilparteien und der Staatsanwaltschaft diese gut einstudierte Geschichte widerlegen können. Abdeslams Glaubwürdigkeit zweifelt Dénouveaux in gewissen Punkten an. Er schaffe es sehr gut, eine Geschichte zu konstruieren, in der er das zurück halte, was überprüfbar sei.
Abdeslam wurde am 18. März 2016 in Belgien verhaftet. Nur wenige Tage später kam es zu den Terroranschlägen in Brüssel.
Aussage von Mohammed Abrini
Neben Abdeslam hat auch der Angeklagte Mohammed Abrini am Montag ausgesagt. Er ist in Belgien besser bekannt als "der Mann mit dem Hut", der am 22. März 2016 auf Bildern der Überwachungskameras des Brüsseler Flughafens kurz vor dem Anschlag auftauchte. Auch er hatte in letzter Minute seine Meinung geändert und sich nicht in Brüssel in die Luft gesprengt. Er wurde am 8. April 2016 in Anderlecht verhaftet.
Abrini steht in Paris vor Gericht, weil er angeblich an den Vorbereitungen der Pariser Anschläge beteiligt gewesen und die Terroristen nach Paris begleitet haben soll. Vor den Anschlägen soll er jedoch wieder nach Belgien zurückgekehrt sein.
Im Prozess räumte er jetzt Pläne zu weiteren Anschlägen in der französischen Hauptstadt ein. Diese seien ursprünglich während der Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich beabsichtigt gewesen, sagte Abrini. Stattdessen sei es aber kurzfristig am 22. März 2016 zu den Anschlägen auf den Flughafen und die Metro in Brüssel gekommen. "Der 22. März, das war nicht vorgesehen", sagte Abrini.
Mehr Klarheit bringen
Abrinis Befragung soll mehr Klarheit bringen: Wie konnten er und Abdeslam nach den Pariser Terroranschlägen so lange in Belgien untertauchen? Was haben sie anschließend gemacht? Auch Abrini antwortete auf die Fragen des Gerichts. Zum Ende seiner Aussage wandte er sich an die Angehörigen der Opfer. "Der 13. November, das hätte nie geschehen dürfen, ich entschuldige mich", erklärte er.
In Paris kommen am Donnerstag die Anwälte der Opfer zu Wort. Auch sie werden Salah Abdeslam Fragen stellen. Die Befragung Abdeslams wird auch in den kommenden Tagen fortgesetzt.
Im Oktober startet in Belgien der Assisenprozess zu den Anschlägen vom 22. März in Brüssel. Abrini und Abdeslam werden sich auch dort vor Gericht verantworten müssen.
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