Die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen hat ausgepackt. Der Name der Whistleblowerin sorgt in der Presse gerade überall für Schlagzeilen. Die aus dem amerikanischen Staat Iowa stammende 37-Jährige arbeitete von Juni 2019 bis April 2021 für Facebook und war in ihrer Funktion als Produktmanagerin vornehmlich für den Umgang mit Fake News zuständig. Bei ihrer Arbeit hat sie von so mancher Sache Wind bekommen, beschlossen zu gehen, aber vorher noch ein paar Tausend Kopien von geheimen Facebook-Dossiers zu machen.
Frances Haugen hat einige interne Facebook-Studien kopiert, die belegen, dass die Facebook-Chef-Riege bewusst mit dem Negativeffekt der sozialen Medien auf seine Nutzer spielt. Im Klartext: Interne Studien bei Facebook haben gezeigt, dass sowohl Facebook wie auch Instagram einen sehr schlechten Einfluss auf den Gesundheitszustand seiner Nutzer hat. Diese Erkenntnisse macht sich der Konzern zu Nutze, um Werbung möglichst breit über seine Online-Plattformen zu streuen. Was im Grunde auch nichts Neues ist, aber die Dinge, die da ans Tageslicht gekommen sind, sind neu und belegen erneut, was man zum Teil schon wusste oder erahnte.
Bei einer internen Studie kam beispielsweise raus, dass jedes dritte Teenager-Mädchen aufgrund der Nutzung von Instagram anfängt, seinen eigenen Körper in Frage zu stellen - und dass das Ganze durch Facebook noch verstärkt wird. Bei 14 Prozent der Jungen ist dieser psychologische Negativeffekt auch der Fall. 13 Prozent von befragten britischen Nutzern sprachen in einer internen Studie von Suizidgedanken und dass Instagram die Ursache davon sei. Bei amerikanischen befragten Usern waren es sechs Prozent. Zahlen, die Facebook für sich behalten wollte.
In einer anderen internen Studie wurde festgestellt, dass diverse Aktionen die Hassparolen und Gewaltandrohungen auf Facebook um drei bis fünf Prozent reduziert hatten. Es wurde aber gleichzeitig festgestellt, dass die Steigerung des Sicherheitsgefühls in den sozialen Netzwerken dafür sorgt, dass die Leute weniger Zeit auf ihnen - Facebook und Co. - verbringen. Weniger Zeit, ein Effekt, den Facebook nicht erreichen will. Im Gegenteil, denn weniger Zeit auf Facebook bedeutet gleichzeitig weniger Klicks für Werbungen und somit auch weniger Geld. Eine Erkenntnis, die sich laut Frances Haugen Facebook über den Algorithmus zu Nutze macht.
Geht Facebook gegen Fake News vor?
Facebook ging zwar gegen Fake News vor, aber das war offenbar zum Zeitpunkt der Präsidentschaftswahlen in Amerika. Sobald die vorbei gewesen seien, so Whistleblowerin Frances Haugen, sei das Vorgehen gegen Fake News wieder rückgängig gemacht worden. Es heißt in manchen Zeitungen, Haugen suggeriere damit, Facebook habe zu den Angriffen auf das US-Kapitol beigetragen. Facebook selbst widerlegt das. Fakt ist aber, durch die Aussage der Whistleblowerin ist Facebook erneut stark in die Kritik geraten.
Die Süddeutsche Zeitung zum Beispiel schreibt es am Dienstag so: "Die Programme werden verantwortlich gemacht für Persönlichkeitsstörungen, die Erosion des politischen Diskurses, das Wuchern von Hass und Lügen, und für den Überwachungskapitalismus, der die Menschen in Datensätze zerlegt", warum? "Um ihnen Plunder zu verkaufen". In einem Atemzug ist in der Süddeutschen sogar davon die Rede, dass "die Hetze in den sozialen Medien zur Verfolgung in Myanmar bis hin zum Völkermord" geführt habe. Die Plattformen des Konzerns seien zwar nicht der Grund, aber oft der Verstärker solcher Phänomene.
Frances Haugen hat selbst für eine Abteilung bei Facebook gearbeitet, die für zivile Integrität steht. Die Leute in diesem Team, das sich für die "Civic Integrity" einsetzte, müssen zum Teil total ausgelaugt gewesen sein. Denn auf der einen Seite habe man Fortschritte gemacht und gute Zahlen erreicht, beispielsweise die Desinformation im Netz um ein Drittel reduzieren können. Aber zur gleichen Zeit habe dann wieder jemand anderes am Algorithmus rumgeschraubt, um das Gegenteil zu bewirken. Unterschiedliche Abteilungen also, die nicht wussten, was der andere tat oder sogar gegeneinander gearbeitet haben. Oder um es mit den Worten von Frances Haugen zu sagen: Die Firma befindet sich in einem ständigen Konflikt zwischen öffentlicher Sicherheit und den eigenen Profiten.
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