Die Brasilianer haben Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zum Abschied ein Wahlgeschenk gemacht und seine Favoritin Dilma Rousseff zur Nachfolgerin bestimmt. Die Ära Lula geht zu Ende. Seine Politik bleibt.
Das fünftgrößte Land der Erde wird in den nächsten vier Jahren erstmals von einer Frau regiert. Die 62 Jahre alte Dilma Rousseff gewann die Stichwahl mit klarem Vorsprung vor dem Oppositionskandidaten José Serra. Die Abstimmung war vor allem ein Erfolg für den scheidenden Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva, der seine Parteigenossin Rousseff massiv unterstützt hatte.
Die Not beseitigen
Die Wahlsiegerin rief die Nation in der Nacht zur Einheit auf und versicherte, sie werde an der Wirtschaftspolitik Lulas festhalten und bestehende Verträge einhalten. «Ich bekräftige meine Verpflichtung, die Not in Brasilien zu beseitigen und Chancen für jeden Brasilianer zu schaffen», rief die neue Präsidentin ihren Anhängern am Sonntag in Brasília zu.
Sie werde in ihrer Regierungszeit die Nähe zu Lula suchen. «Ich werde oft an seine Tür klopfen, und ich bin sicher, dass ich sie immer offen finden werde.» Lula scheidet nach acht Regierungsjahren mit Rekordsympathiewerten von mehr als 80 Prozent aus dem Amt. Er durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr zur Wahl antreten.
Das boomende Wirtschaftsland Brasilien, das in diesem Jahr ein Wachstum von sieben Prozent erwartet, wird auch unter Präsidentin Rousseff selbstbewusst auf internationaler Bühne auftreten. «Wir rechnen kurzfristig nicht mit der Kraft der entwickelten Länder, um unser Wachstum anzustoßen. Deshalb sind unsere eigene Politik, unser eigener Markt, unsere eigenen Ersparnisse und unsere eigenen wirtschaftlichen Entscheidungen umso wichtiger.»
Pressefreiheit
In ihrer Ansprache unterstrich sie auch die Bedeutung der Pressefreiheit. «Ich habe gesagt und wiederhole es: Ich bevorzuge den Krach einer freien Presse gegenüber der Ruhe der Diktaturen.» Rousseff war selbst Mitglied der Guerilla, die gegen die Militärdiktatur in Brasilien (1964-1985) kämpfte. Sie wurde 1970 festgenommen, gefoltert und über zwei Jahre inhaftiert.
Die zweifach geschiedene Politikerin, Mutter und Großmutter will sich auch für die Gleichstellung von Mann und Frau einsetzen. «Ich möchte, dass die Väter und Mütter ihren Kindern (heute) in die Augen schauen und sagen: Ja, die Frau kann.» Die Ex-Energieministerin und frühere Kabinettschefin von Lula war noch nie durch eine öffentliche Wahl in ein Amt gewählt worden. Gleich zur Premiere schaffte die Ökonomin den Sprung in den Präsidentenpalast in Brasília, wenn auch im zweiten Durchgang.
Sie erhielt mit 56,06 Prozent der Stimmen rund zwölf Prozentpunkte mehr als ihr Herausforderer, São Paulos Ex-Gouverneur José Serra, der auf 43,95 Prozent kam. Er erkannte die Niederlage an und gratulierte der Gewinnerin. Es war die zweite Niederlage für Serra. 2002 scheiterte er im zweiten Wahlgang gegen Lula. Rousseff streckte zwar noch am Abend der Opposition nach einem harten Wahlkampf die Hand aus. Zum Regieren braucht sie die Opposition jedoch nicht: Ihre Zehn-Parteien-Allianz kann im Kongress auf eine satte Mehrheit bauen.
Nach dem Dauerwahlkampf wollte Rousseff zunächst eine Woche Urlaub machen. Danach wird sie vermutlich Lula auf einer geplanten Auslandsreise nach Mosambik begleiten und anschließend zum G20-Gipfel am 11./12. November nach Südkorea fliegen. Dort will sich Lula offiziell verabschieden und möglichst auch seine Nachfolgerin vorstellen.
Helmut Reuter (dpa) - Bild: epa