Es lässt sich aus psychologischer Sicht erklären, warum wir manchmal so genervt von Zoom, Teams, Skype und Co. sind: Das liegt schon mal daran, dass unsere Gesprächspartner uns unnatürlich nahe erscheinen. In "normalen" Meetings schauen die Teilnehmer abwechselnd den Redner an, machen sich Notizen oder schauen auch mal aus dem Fenster.
Ungewohnte Nähe stresst
In Video-Chat-Gesprächen schaut jeder den anderen an, und das ununterbrochen, wobei die Gesichter den gesamten Bildschirm einnehmen. Lieven De Marez, Professor für Medientechnologie an der Universität Gent, sagte der Zeitung De Morgen: "Plötzlich schaut man sich nicht nur gegenseitig auf die Finger. Man kann sozusagen die Nasenhaare des anderen zählen."
Würde das Gesicht einer Person uns im realen Leben so nah erscheinen wie bei der Videokonferenz, würde unser Gehirn das als eine Situation interpretieren, die entweder im intimen Bereich liegt oder zu einem Konflikt führen muss, heißt es in der Studie aus Stanford. Und wenn man das viele Stunden hintereinander macht, gerät man irgendwann in einen hyper-erregten Modus.
Das Gefühl, ständig beobachtet zu werden
Der zweite Faktor, den die Forscher festhalten: Videoplattformen sind standardmäßig so eingestellt, dass man sich auch selbst sieht, und das ruft Selbstkritik und negative Emotionen hervor. Selbst wenn man der schärfste Kerl oder die schönste Frau ist, führt der ständige Blick auf sich selbst auf lange Sicht zu Unsicherheit und noch mehr Stress.
Die Forscher formulieren es so: "Stellen Sie sich vor, dass Ihnen in der realen Welt ständig jemand mit einem Spiegel folgt - während Sie mit Menschen sprechen und Entscheidungen treffen. Das würde Sie doch sicher auch völlig verrückt machen?" Das Problem ist also, dass wir uns ständig selbst überwachen!
Bei der Videokonferenz sind wir uns immer bewusst, dass unsere Reaktionen für andere sichtbar sind, egal ob wir sprechen oder zuhören. Also: Nicht in der Nase bohren, nicht einschlafen, nicht die Stirn runzeln.
Fehlender Blickkontakt und mangelnde nonverbale Kommunikation
Aber es gibt noch einen Faktor der anstrengend ist. Die fehlende nonverbale Kommunikation. In schwierigen Meetings kann man den Blickkontakt zu einem Kollegen suchen und dadurch Unterstützer suchen. Solche strategischen Signale kann man Online so gut wie gar nicht einsetzen. Es ist also schwieriger, Verbündete zu finden.
Meeting-Experten plädieren für kurze und gut organisierte Versammlungen. Ehe man sich versieht, checkt man seine E-Mails und beendet die Meetings, ohne wirklich zu wissen, was konkret beschlossen worden ist.
De Morgen/Manuel Zimmermann