Zum ersten Mal seit 2009 sucht die Europäische Raumfahrtagentur ESA neue Astronauten. Bei der letzten Ausschreibung hatten sich damals über 8.000 Kandidaten gemeldet.
Wer in Richtung der "unendlichen Weiten" aufbrechen will, der muss erstmal die entsprechende Ausbildung haben: in Naturwissenschaften, Medizin oder Ingenieurwesen. Aber auch fit müssen die Kandidaten sein. Entsprechend ist das Auswahlverfahren kein Sonntagsspaziergang. Wer in die engere Wahl kommt, auf den warten erstmal psychologische und kognitive Tests, dann natürlich auch medizinische Untersuchungen, und das über einen Zeitraum von 18 Monaten, sagt Angelique Van Ombergen, wissenschaftliche Koordinatorin für Humanforschung bei der ESA.
Denn: Wer ins All fliegen will, der muss natürlich in allen Belangen fit sein: körperlich natürlich, aber auch geistig. In einem so feindlichen Milieu wie dem Weltall braucht man Leute, die in Extremsituationen die Nerven behalten und das Richtige tun. Wer einmal ausgewählt wurde, für den fängt dann aber die eigentliche Ausbildung erst an. Die Vorbereitung auf Raumflüge kann Jahre in Anspruch nehmen.
In einer ersten Phase winkt dafür ein Flug zur Internationalen Raumstation ISS. "Das ist und bleibt erstmal unser Kerngeschäft", sagte auch der ehemalige belgische Astronaut Frank De Winne, der inzwischen Leiter des Europäischen Astronautenzentrums in Köln ist. "Unsere neuen Astronauten werden also Langzeitmissionen auf der ISS absolvieren und sich dort an den Forschungsprojekten beteiligen. Und in erster Linie suchen wir jetzt junge, neue Leute, um die Kontinuität zu gewährleisten, um den Erfahrungs- und Wissenstransfer zwischen den Generationen zu ermöglichen", sagt Frank De Winne.
Naja, aber wo sind denn da die "unendlichen Weiten", mag sich jetzt der eine oder andere Weltraumbegeisterte sagen. Die ISS zieht ja schließlich nur 400 Kilometer über der Erde ihre Bahnen um den Globus. Für den Moment ist das tatsächlich noch der Horizont. Aber, insgesamt ist das Interesse an der Raumfahrt in den letzten Jahren weltweit doch deutlich gestiegen. Immer mehr Länder schießen allerlei Sonden ins All. Und einige arbeiten auch schon aktiv an bemannten Missionen, die das unmittelbare Erdumfeld verlassen sollen.
Erstmal wurde wieder - frei nach Tim und Struppi - das "Reiseziel Mond" ausgegeben. Und die ESA wird sich daran beteiligen, sagt Frank De Winne. "Gateway", so lautet zunächst das Stichwort. Gemeint ist eine Raumstation, die in einer Mondumlaufbahn aufgebaut werden soll. Damit wären das die weitesten Raumflüge, die je ein Mensch absolviert hat. Dieses Gateway soll als eine Art "Basislager" dienen, ein Kommandoposten, etwa mit Blick auf bemannte Missionen zur Mondoberfläche. Und mit der NASA gebe es ein Abkommen, dass auch ESA-Astronauten zu diesem Gateway fliegen werden. Und, wem das immer noch nicht "unendlich" genug ist, dieses Gateway kann auch zum Ausgangspunkt für künftige bemannte Marsmissionen werden.
Keine Quote
Also: Einer der künftigen europäischen Astronauten könnte vielleicht sogar den Fuß auf einen anderen Himmelskörper setzen. Einer, oder einE. Denn: Die ESA wendet sich hier ganz ausdrücklich auch an Frauen. Aus dem letzten Auswahlverfahren war gerade einmal eine Frau hervorgegangen.
"Es gibt aber keine Quote", betont Angelique Van Ombergen. Die Auswahl wird nur auf der Grundlage von Kompetenz getroffen. Aber, je mehr Frauen sich bewerben, desto größer eben die Wahrscheinlichkeit, dass das künftige ESA-Astronauten-Korps weiblicher daherkommen wird.
Für den Reservepool ist die ESA außerdem auch explizit auf der Suche nach einem Menschen mit einem bestimmten Grad an körperlicher Behinderung. Die ESA will untersuchen, unter welchen Umständen ein Mensch zur Internationalen Raumstation ISS fliegen kann.
Interessenten können ab Ende März ihre Bewerbungen bei der ESA einreichen. Und, wer weiß: Vielleicht ist unter ihnen auch eine Europäerin oder ein Europäer.
Roger Pint