Die Proteste aufgebrachter Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump in der Hauptstadt Washington sind am Mittwoch ausgeartet und haben für Chaos und Gewalt im politischen Zentrum der USA gesorgt. Nach einer einheizenden Rede des Republikaners marschierten Trump-Unterstützer vor dem Kapitol auf, dem Sitz des US-Parlaments, um gegen die Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse zu protestieren. Bei dem Ansturm auf das Kongressgebäude drangen Demonstranten ins Innere des Kapitols ein. Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen abrupt unterbrechen, die Parlamentssäle wurden geräumt.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP wurde inmitten der Proteste eine Person angeschossen. In welchem Zustand sie sich befinde, sei unklar, die genauen Details zu dem Vorfall ebenfalls, berichtete AP. Der Nachrichtensender CNN berichtete, eine Frau werde wegen Schusswunden in der Brust behandelt. Der Sender NBC News berichtete unter Berufung auf Sicherheitskräfte zudem von mehreren Verletzten.
Laut Weißem Haus sollte die Nationalgarde zum Einsatz kommen. "Auf Anweisung von Präsident Donald Trump ist die Nationalgarde zusammen mit anderen Bundesschutzdiensten unterwegs", schrieb Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany auf Twitter. Die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, ordnete angesichts der Proteste eine Ausgangssperre an - vom frühen Mittwochabend (Ortszeit) bis zum frühen Donnerstagmorgen.
Die Lage war zunächst unübersichtlich. Auf Bildern des Senders CNN war zu sehen, wie Demonstranten Fensterscheiben zerschlugen und sich so Zugang zum Gebäude verschafften. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden.
Abgeordnete, die sich in Sicherheit gebracht hatten, meldeten sich über die sozialen Medien oder per Telefonschalten im nationalen Fernsehen zu Wort. Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger etwa nannte die Vorgänge bei CNN "ekelhaft" und "absolut verabscheuungswürdig".

Im Kapitol hatten sich das Repräsentantenhaus und der Senat am Mittwochmittag (Ortszeit) versammelt, um die Ergebnisse der Präsidentenwahl vom November offiziell zu bestätigen. Tausende Trump-Anhänger strömten in die US-Hauptstadt, um gegen die Zertifizierung des Wahlausgangs zu protestieren.
Trump hatte die Präsidentschaftswahl mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden verloren. Er weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Trump behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.
Kurz vor dem Start der Kongresssitzung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern aufgetreten, hatte seine haltlosen Wahlbetrugsbehauptungen wiederholt und seine Unterstützer dazu aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den "Diebstahl" der Wahl nicht gefallen zu lassen.
Nach dem Gewaltausbruch riefen zahlreiche Politiker Trump eindringlich auf, die Ausschreitungen sofort zu stoppen. Die ehemalige Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Alyssa Farah, schrieb auf Twitter an Trump gerichtet: "Verurteilen Sie das jetzt, Donald Trump - Sie sind der einzige, auf den sie hören werden. Für unser Land!"
Der amtierende Präsident rief seine Anhänger auf Twitter auf, bei ihrem Protest friedlich zu bleiben und Polizei und Sicherheitskräfte zu unterstützen. In einem weiteren Tweet schrieb Trump: "Keine Gewalt!"
Deutlicher wurde US-Vizepräsident Mike Pence. Trumps Stellvertreter schrieb auf Twitter: "Friedlicher Protest ist das Recht jedes Amerikaners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen."
Pence hatte die Kongresssitzung vor der Unterbrechung geleitet. Trump hatte ihn direkt dazu aufgerufen, sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses zu stellen - entgegen der gesetzlichen Vorgaben. Pence wies dieses Ansinnen jedoch zurück.
Die Zertifizierung der Wahlergebnisse ist in den Vereinigten Staaten üblicherweise eine Formalie. Diverse Republikaner hatten jedoch vorab eine politische Störaktion angekündigt, bei der sie Einspruch gegen Ergebnisse aus den Bundesstaaten einlegen wollten. Trump wiederum hatte über Wochen diesen Tag der Kongresssitzung - ohne jegliche Grundlage - als letzte Möglichkeit dargestellt, den Wahlausgang noch umzustürzen. Am Wahlausgang ist aber nicht zu rütteln. Auch die politische Störaktion der Republikaner hatte von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg.
Mehrere hochrangige Republikaner hatten die geplante Aktion ihrer Parteikollegen und Trumps fortdauernden Feldzug gegen den Wahlausgang als gefährlich gebrandmarkt. Biden soll am 20. Januar vereidigt werden.
Biden verurteilt Ereignisse am Kapitol als "Aufruhr"
Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat die dramatischen Ereignisse rund um das Kapitol in Washington scharf verurteilt. "Zu dieser Stunde wird unsere Demokratie beispiellos angegriffen", sagte Biden. "Ich bin wirklich schockiert und traurig, dass unsere Nation - so lange Leuchtfeuer und Hoffnung für Demokratie - an so einem dunklen Moment angekommen ist."
Die Gewalt müsse enden, sagte Biden. "Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu stöbern und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest", sagte Biden. "Es ist Aufruhr."
Er habe schon oft in anderen Zusammenhängen gesagt, dass die Worte eines Präsidenten Gewicht haben - egal wie gut oder schlecht dieser Präsident sei. Biden forderte Trump auf, sich in einer Fernsehansprache an das Volk zu wenden. Trump müsse seinem Eid nachkommen und die Verfassung verteidigen, sagte Biden. "Also Präsident Trump, treten sie vor."
Biden fuhr fort: "Die Szenen des Chaos am Kapitol spiegeln nicht das wahre Amerika wider, stehen nicht für das, wer wir sind." Es handele sich um eine kleine Zahl an Extremisten, die sich der Gesetzlosigkeit verschrieben hätten. "Ich rufe diesen Mob auf, sich zurückzuziehen und die Arbeit der Demokratie voranschreiten zu lassen."
Demokraten fordern Appell von Trump an Anhänger
Die führenden Demokraten im US-Kongress haben den abgewählten US-Präsidenten Donald Trump aufgerufen, die von ihm angeheizten Demonstranten zum Verlassen des US-Kapitols aufzufordern. "Wir appellieren an Präsident Trump, alle Demonstranten dazu aufzufordern, dass sie das US-Kapitol und das Grundstück des Kapitols sofort verlassen", teilten die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und der Minderheitsführer der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, am Mittwoch mit.
Der führende Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, verurteilte die Unruhen am Sitz des US-Parlaments. Was gerade passiere, sei "unamerikanisch", sagte er dem Sender CBS News. "Ich bin enttäuscht. Ich bin traurig. Das ist nicht, wie unser Land aussehen sollte." McCarthy ist ein Verbündeter Trumps.
Trump zu Demonstranten am Kapitol: Geht nach Hause - Wir lieben euch
Der amtierende US-Präsident Donald Trump hat die Demonstranten am Kapitol aufgefordert abzuziehen. Er verstehe den Ärger über den Ausgang der Wahl, "aber ihr müsst jetzt nach Hause gehen", sagte Trump am Mittwoch in einer auf Twitter verbreiteten Videobotschaft. "Wir müssen Frieden haben, wir müssen Recht und Ordnung haben." Niemand dürfe verletzt werden, mahnte er.
Es sei eine harte Zeit, es habe Betrug bei der Präsidentschaftswahl gegeben. Man habe ihm und seinen Anhängern die Wahl gestohlen, behauptete der abgewählte Präsident - erneut ohne jeden Beleg. "Ich weiß, wie ihr euch fühlt, aber geht nach Hause." Trump sagte an die Adresse der Protestler: "Wir lieben euch. Ihr seid etwas ganz Besonderes."
Trumps Tweet wurde noch am Abend von Twitter wegen umstrittener Aussagen mit einem Warnhinweis versehen.
dpa/okr
Nur noch zwei Wochen, dann ist Trump nicht mehr Präsident. Trump war eine grandiose Fehlbesetzung. Und trotzdem hat das amerikanische politische System funktioniert, ist stabil geblieben und nicht gescheitert. Auch bemerkenswert.
Welch großartiges Zeugnis der Solidarität, haben doch auch die Vereingten Staaten nun einmal gezeigt, dass sie ebensogut eine Bananenrepublik sein können.
Galgenhumor...
Nach den - seit dem 11. September 2001 - entsetzlichsten Bildern aus den USA stellt sich die Frage, was Trump in den verbleibenden zwei Wochen noch anstellen kann. Könnte ihm jemand bitte das Köfferchen mit dem roten Knopf abnehmen?
Die Pflegekräfte in Amerika werden schon mit Schrecken an die Folgen dieses Super-Spreader-Events denken !
Aber bedenken wir, dass ein solcher Angriff auf das Herz der Demokratie auch in Europa nicht unvorstellbar ist. Die sog. Reichsbürger warten nur darauf, beim nächsten Marsch auf den Reichstag weiter als nur bis zur Treppe zu kommen.
Eine letzte Anmerkung zu Washington: Stellen wir uns mal vor, die Black Lives Matter Bewegung hätte versucht, das Capitol zu stürmen. Die Sicherheitskräfte hätten ein Blutbad angerichtet um so etwas zu verhindern!
Solange Trump lebt, wird er weiter seinen Mob anfeuern und Unruhe im Land stiften, er regiert einfach weiter, wie bisher, via Twitter, da braucht er kein Weißes Haus für, da genügt auch eine rote Baseballkappe. Und wo bitte hat das amerikanische System funktioniert ? Der ware Wahlbetrug ist ganz legal: Briefkästen abbauen, Ärmeren die Wahlmöglichkeit dermaßen erschweren, daß sie nicht hingehen, gerrymandering und Miljarden von legal und anonym eingesammelten $, mit denen man auf TV Sendern ungestraft hetzen und Lügen verbreiten darf. Da wäre mal der Begriff Pöstchenjäger an seinem Platz. Da ist nicht mehr viel demokratisch in diesem Land. Geld ist alles. Und nicht Trump, sondern ein ganz legal ernannter Richter hat beschlossen, dass 7 x in einen Rücken schießen Selbstverteiigung ist. Zur Demokratie gehört auch ein Rechtsstaat und Rechtssicherheit.