Ein großer Knall, eine Rauchwolke, die fast an einen Atompilz erinnert, eine Druckwelle, die mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Stadt rast und alles buchstäblich niedermäht. Die Bilder der Explosion von Beirut dürften sich bei vielen fest ins Gedächtnis eingebrannt haben. Vor allem natürlich bei den Menschen, die das am eigenen Leib erleben mussten.
Schreckliche Bilder gehen um die Welt, von Menschen, die von Glassplittern regelrecht durchlöchert wurden. Im Umkreis von Kilometer ist alles in Scherben geflogen, was nicht niet- und nagelfest war.
Entsprechend wohl die Zahl der Opfer. Bislang sind die Angaben wohl nur provisorisch. Von mindestens 135 Toten ist die Rede. Rund 4.000 Menschen wurden verletzt. Unter den Todesopfern seien auch zwei belgische Staatsbürger, ein Mann und eine Frau, sagte Karl Lagatie, Sprecher des Außenministeriums. Insgesamt lebten rund 2.200 Belgier im Großraum Beirut, die man allesamt zu kontaktieren versuche.
Die belgische Botschaft in Beirut wurde übrigens auch stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Gebäude befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hafens.
Die Katastrophe trifft eine Stadt, die ohnehin schon leidgeprüft ist. Bei vielen Einwohnern von Beirut hat die Explosion reflexartig Erinnerungen geweckt. Die Belgierin Christelle Pierret lebt seit 23 Jahren in Beirut. Sie habe erst an eine Bombe gedacht, sagte Pierret in der RTBF. Und dann gleich noch konkretere Gedanken: Sie habe sich spontan an den Tag erinnert, als der damalige Ministerpräsident Rafiq Hariri durch einen Sprengstoffanschlag getötet wurde. Damals, vor 16 Jahren, sei sie draußen gewesen. Den Knall werde sie nie vergessen.
Viele Libanesen dürften solche Flashbacks gehabt haben. Das Land wurde von 1975 bis 1990 von einem blutigen Bürgerkrieg erschüttert. Wirklich zur Ruhe gekommen ist der Libanon nie. Beirut hatte aber langsam wieder zu altem Glanz zurückgefunden; und jetzt gleicht die Metropole schon wieder in weiten Teilen einem Kriegsgebiet. Erste Bilder zeigten Menschen, wie sie blutüberströmt durch die verwüsteten Straßenzüge irrten. Durch die Wucht der Explosion wurde der Hafen buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht. Aktuelle Luftbilder zeigen ein apokalyptisches Bild. Noch 20 Kilometer vom Unglücksort entfernt wurden Häuser beschädigt, das sagt, was es sagt.
Schnelle Hilfe gefragt
"Jetzt muss es schnell gehen", sind sich Experten für Katastrophenhilfe einig. Viele Verletzte befinden sich noch unter den Trümmern; für sie tickt jetzt die Uhr. Der Libanon habe die EU und Belgien um Hilfe gebeten, sagte Außenminister Philippe Goffin in der RTBF. Man werde jetzt zusammen mit den EU-Partnern schnellstmöglich die Lage und den Bedarf analysieren. Das schnelle Rettungsteam B-Fast stehe jedenfalls bereit, um schnellstmöglich in Richtung Libanon aufzubrechen.
Doch wird das Land auch in der Folge Hilfe brauchen. Der Libanon ächzte schon seit längerer Zeit unter einer schlimmen Wirtschaftskrise, die sich durch die Corona-Pandemie nur noch weiter zugespitzt hatte. Die Wirtschaft steht inzwischen vor dem Kollaps. Nur in Venezuela und in Zimbabwe ist die Inflation noch höher. Alles ist unbezahlbar, sagt auch die Belgierin Christelle Pierret. Die Menschen können sich nicht mal neue Fensterscheiben leisten.
In Belgien gibt es ja auch eine große libanesische Gemeinschaft. Und da ist natürlich die Besorgnis groß. Jeder versucht, die Angehörigen vor Ort zu erreichen. Seine zwei Brüder lägen verletzt im Krankenhaus, sagte in der RTBF ein Restaurantbetreiber aus Lüttich. Er fühle sich hilflos, er könne seinen Familienangehörigen nicht beistehen. Das mache ihn fertig, sagt der Mann, der dann die Fassung verliert: "Der Libanon braucht Hilfe. Das ist die Schuld unserer Regierung, der korrupten Politiker. Das ist eine einzige Katastrophe".
Viele Opfer bei gewaltiger Detonation in Beirut – Zwei Belgier unter Todesopfern
Roger Pint