Der schon länger vorgesehene Besuch einer hochrangigen Vertreterin des US-Heimatschutz-Ministeriums beim EU-Innenministerrat kam also wie gerufen, um Erklärungen einzufordern und Missverständnisse auszuräumen.
"Wir sehen im Augenblick nicht die Notwendigkeit, die Terrorwarnstufe in Belgien anzuheben". Die amtierende Innenministerin Annemie Turtelboom stützt sich dabei auf die Analyse der belgischen Sicherheitsdienste. Zu einem ähnlichen Schluss war auch das Nachbarland Deutschland gekommen. Der deutsche Innenminister De Maizière hatte gar von Panikmache gesprochen.
Großbritannien dagegen gab ebenfalls eine Terrorwarnung aus, in Frankreich wurden sogar Soldaten zur Bewachung von symbolträchtigen Bauwerken abgestellt.
Die US-Reisewarnung vom Wochenende hat in Europa zu einem ungeordneten Bild geführt. Das konnte Innenministerin Turtelboom, die ja derzeit auch den Vorsitz im EU-Innenministerrat inne hat, auch nur feststellen. Auf der Grundlage derselben Informationen hätten die einen ihre Alarmstufe angehoben, andere nicht.
Für dieses scheinbare Chaos gibt es verschiedene Erklärungen. Ganz wichtig: Terrorismusbekämpfung ist allein Sache der Mitgliedstaaten. Die EU kann hier allenfalls indirekt Einfluss nehmen, etwa indem man gemeinsame Strukturen schafft, wie z.B. zentrale Datenbanken, auf die dann alle zugreifen können. Also: Ob die Terrorwarnstufe angehoben wird, oder nicht, das entscheidet jeder für sich.
Das ist eigentlich auch logisch. Der Belgier Gilles De Kerchove, der Mister Anti-Terror der EU, brachte es so auf den Punkt: Europa sei doch nicht Europa. Es gibt nicht EINE europäische Bedrohung. Die Situation in Litauen sei nicht die gleiche wie in Frankreich, Spanien oder Großbritannien.
Deswegen sehen einige EU-Staaten hier vor allem die USA im Fehler. Eine Reisewarnung pauschal für ganz Europa auszugeben, naja, das sei doch etwas sehr grobkörnig. Doch auch dafür gebe es eine Erklärung, sagt Annemie Turtelboom. Die USA seien von Gesetz wegen dazu verpflichtet, ihre Bürger über eine mögliche Bedrohung zu informieren.
Woran es allerdings gefehlt habe, sei transatlantische Kommunikation. Im Klartext: EU und USA hätten sich abstimmen sollen, und zwar bevor die Reisewarnung am Wochenende ausgegeben wurde. Dann wären die Europäer nicht auf dem falschen Fuß erwischt worden und hätten die Warnung ihren jeweiligen Bürgern so kommunizieren können, wie sie es für richtig halten.
Genau das hat man denn auch der Stellvertreterin von US-Heimatschutzministerin Napolitao mit auf den Weg gegeben. Jane Holl Lute hatte ja - eher zufällig eigentlich - am Treffen der EU-Innenminister teilgenommen. Beide Seiten vereinbarten denn auch bei dieser Gelegenheit, dass es künftig noch mehr Kontakte zwischen der EU und den USA geben sollte: Einmal im Jahr sollen sich alle zuständigen europäischen und amerikanischen Minister zu einem Meinungsaustausch treffen.
Wie die Amerikaner die Terrorbedrohung beobachten und einschätzen, das ist nicht der Punkt, der bei den Europäern für Verärgerung gesorgt hat. Annemie Turtelboom drückte es so aus: Selbstverständlich müsse man die Bürger über eine mögliche Bedrohung in Kenntnis setzen, nur müsse man dabei vermeiden, die Menschen zu beunruhigen, aufzuschrecken. Das sei ein schwieriges Gleichgewicht, das alle gemeinsam suchen müssten.
Das gelte auch EU-intern. Deshalb wollen die EU-Staaten zumindest über eine Vereinheitlichung der Terrorwarnstufen nachdenken. Was beim einen "Alarmstufe Rot" ist, heißt beim anderen vielleicht "Niveau 3". Doch ob nun "Rot" oder "drei": Der amerikanische Gast habe gegenüber den Innenministern noch einmal bekräftigt, dass die Bedrohung real sei. Genauere Angaben hätten die Amerikaner aber nicht gemacht.
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