Schon früh haben in Mexiko die Feiern zum Gedenken an die vor 200 Jahren errungene Unabhängigkeit von Spanien begonnen. Startzeichen für das «Bicentenario» war die Errichtung des höchsten Weihnachtsbaumes der Welt mitten in Mexiko-Stadt.
Die ganz große Feier steigt an diesem Mittwoch. Umgerechnet mehr als 30 Millionen Euro hat sich das Land eine Riesenshow kosten lassen, zu der über zwei Millionen Zuschauer in der Hauptstadt erwartet werden. «Es wird das größte Feier dieser Art in Lateinamerika», verspricht der Organisator Ric Birch. Der Australier hat bereits die Feiern zahlreicher Olympischer Spiele geplant.
Angst statt Feierlaune
Doch bei vielen Mexikanern will keine rechte Feierlaune aufkommen. Angesichts der ausufernden Kriminalität sind die Nerven der Gewalt gewohnten Mexikaner dünner geworden. Auf satirische Art befasst sich der neue Film «El Infierno» (Die Hölle) des Regisseurs Luis Estrada mit der harten Realität Mexikos in diesen Tagen - mit Korruption, Drogenhandel, Kriminalität. In dem Film kommt es bei der Feier des «Bicentenario» zu einem blutigen Anschlag, bei dem korrupte Politiker und Verbrecher ums Leben kommen.
Die Zeitung «El Universal» berichtete vor wenigen Tagen, einige Kleinstädte im Bundesstaat San Luis Potosí hätten die Feiern ganz abgesagt. So in Ciudad Juárez an der Grenze zu den USA, die den Mexikanern als die gefährlichste Stadt der Welt gilt. Dort habe es allen Ernstes den Vorschlag gegeben, die Feiern auf die US-Seite der Grenze zu verlegen.
Die Glorifizierung der mexikanischen Geschichte und ihrer Helden, die die Unabhängigkeit erkämpften, wird durchaus nicht mehr nur unkritisch gesehen. «Die Geschichte Mexikos wurde nicht von Heiligen, aber auch nicht von Dämonen gemacht, sondern von Männern und Frauen mit Tugenden und Schwächen», sagte Präsident Felipe Calderón, als er vor wenigen Tagen die zentrale Geschichtsausstellung des Bicentenario im Nationalpalast eröffnete.
«Mexiko ist ein Volk von Korrupten geworden.»
Die steigende Zahl der Morde und Massaker - fast 30.000 Tote in dreieinhalb Jahren - auch gegen Migranten aus anderen Ländern haben Spuren hinterlassen. Vor wenigen Tagen verlautete aus der Erzdiözese in der Hauptstadt: «Mexiko ist ein Volk von Korrupten und Mördern geworden.» Kardinal Norberto Rivera nannte den Mord an 72 Migranten Ende August in Tamaulipas ein abscheuliches Verbrechen.
Die Regierung sorgt sich zunehmend um das Image Mexikos in der Welt. Die Befürchtung ist groß, dass ausländische Investitionen eines Tages ausbleiben könnten. «Wenn heute Staub durch die Fenster nach außen dringt, dann ist es deswegen, weil wir dabei sind, unser Haus zu säubern», beschwichtigte Außenministerin Patricia Espinosa bei einer Konferenz des Auswärtigen Amtes über Lateinamerika in Berlin und zitierte damit ihren Chef Calderón.
Viva Mexico!
Tugenden und Schwächen treten auch in diesen Tagen des vaterländischen Stolzes zutage, wo ganz Mexiko in das Rot, Weiß und Grün der Nationalfarben getaucht wird. Nach einem Bericht der Tageszeitung «Reforma» haben die Zentralregierung und die Führungen der Bundesstaaten anlässlich des «Bicentenario» insgesamt 71 Bauprojekte begonnen. Davon seien aber nur 17 rechtzeitig fertig geworden. Dazu gehören Krankenhäuser, Parks, Hochhäuser und auch der neue Bau des Senats im Zentrum der Hauptstadt.
Viele der Bundesstaaten und zahlreiche Städte erhoffen sich durch Investitionen in touristische und Infrastrukturprojekte einen wirtschaftlichen Aufschwung. So auch die verschlafene Stadt Dolores Hidalgo im Bundesstaat Guanajuato - die Wiege der Unabhängigkeit. Dort hatte der Priester Miguel Hidalgo in der Nacht zum 16. September 1810 den Unabhängigkeitskampf begonnen. Am frühen Donnerstagmorgen wird Präsident Calderón dort als erster Gast erwartet, um - wie einst Hidalgo - den «Grito», den Schrei der Unabhängigkeit, zu schmettern: «Viva Mexico!»
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dpa/jp/jd