"Erwachsene spielen mindestens genauso gerne, wie Kinder. Spielen ist uns allen immanent. Wir denken immer, spielen ist etwas für Kinder. Aber spielen ist etwas, was unsere ganze Kultur, unsere ganze Entwicklung voranbringt. Und wenn wir uns ehrlich hinterfragen und schauen, was es denn an spielerischen Momenten in meinem Leben gibt, findet man jede Menge."
Die Privat-Dozentin Dr. Karin Falkenberg ist Ethnologin und Sozial-Historikerin. Sie leitet das Deutsche Spiele-Archiv und das Nürnberger Spielzeugmuseum. Ihre aktuelle Arbeit beschäftigt sich mit der Frage der Spiel-Motivation nicht nur bei Kindern, sondern besonders bei junggebliebenen und spielenden Erwachsenen, den Kidults.
Erste Ergebnisse sind in der aktuellen Ausstellung "Warum spielst du?" auf zwei großen Schauwänden im Spielzeugmuseum Nürnberg dokumentiert. "Wir haben für diese Ausstellung einhundert Personen als Pilotprojekt befragt und diesen Menschen, die hier in Nürnberg leben, den Begriff des Spielens frei zu Definition gestellt und gefragt: Wenn du überlegst, was spielst du gerne im Leben, was ist es dann? Und da haben wir diese gesamte Bandbreite schon einmal exemplarisch dargestellt", erklärt Falkenberg. "Die Leute spielen einfach, weil sie Lust dazu haben, weil sie sich ausklinken wollen aus dem Alltag, weil sie den Kopf frei kriegen wollen, weil sie Kreativität lieben, weil sie gerne Theaterspielen, weil sie völlig verrückte Sachen machen. All das ist hier nachvollziehbar und zwar immer mit Slogans und dann mit den Hintergründen, was macht diese Menschen aus und was ist ihr Spielbegriff."

Eine besondere Gruppe unter den Kidults sind die Spielzeugsammler, die auf Flohmärkten oder auf Internetbörsen Puppen, Stofftiere, Modellautos oder Figuren kaufen, mit denen sie schon als Kind gerne gespielt haben, die ihnen aber über die Jahren abhanden gekommen waren. "Diesen Verlust versuchen sie später wieder auszugleichen. Sie kaufen sich etwas Ähnliches und sind plötzlich in so einem Flow, einem Rausch und sammeln immer mehr", so Falkenberg. "Es gibt auch Menschen, die wir interviewt haben, die sagen, ich will nie erwachsen werden. Ich will immer weiter spielen, ich will mir genau das erhalten, mir dieses Kindliche in mir bewahren."
Der Erziehungswissenschaftler Dr. Volker Mehringer von der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg gilt als einer der führenden deutschen Spielzeugforscher. Den am Spielzeug interessierten Erwachsenen hält Mehringer von den Erfahrungen, die er auf seinem Arbeitsfeld gemacht hat, für ein nicht ganz so neues Thema. "Ich glaube, dass es immer auch schon Spielzeug gab, das sowohl für Kinder war als auch gleichzeitig für Erwachsene attraktiv war. Das sieht man heutzutage in fast allen Familien, dass die Eltern schon ganz gerne mitmischen in der Spielzeugauswahl. Und nicht nur aus erzieherischen Überlegungen, sondern weil sie manches eben auch selbst spannend finden und selber auch ausprobieren würden", sagt Mehringer.
"Das ist auch aus sozialer Sicht höchst spannend. Da hat man eine Tätigkeit, wo man sich auch gemeinsam als Familie zusammensetzen kann und wo man gemeinsam eine schöne Zeit haben kann. Das halte ich für eine ganz tolle Möglichkeit und ein schönes verbindendes Element zwischen Erwachsenengeneration und Kinder- und Jugendgeneration", so Mehringer weiter.

Viele Erwachsene interessieren sich aber auch losgelöst von einem Familienleben und von der Kindererziehung für Spielzeug. Dieser Spieltrieb unter Erwachsenen, der früher von der Mehrheit der Gesellschaft noch belächelt wurde, findet heute immer mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Volker Mehringer führt das darauf zurück, "dass diese klare Abgrenzung zwischen Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen nicht mehr so stark gegeben ist. Also, dass es vollkommen in Ordnung ist, ein Kidult zu sein, ein Erwachsener, der trotzdem noch viele Hobbies hat, der spielerischen Tätigkeiten nachgeht und man sagt, das hat auch mit Lebenslust und mit Lebensfreude zu tun".
Ein bekannter dänischer Hersteller von Plastikbausteinen hat eine komplette Serie speziell für Kidults auf den Markt gebracht. Darunter ein Schaufelradbagger, den man aus viertausend Teilen zusammensetzen muss. Und auch eine bekannte Firma aus Deutschland, die bislang ausschließlich Plastik-Spielfiguren für Kinder hergestellt hat, setzt mit einer neuen Produktreihe auf spielfreudige erwachsene Konsumenten.
Viele dieser Spielzeuge für Kidults sorgen ausgerechnet dort für Entspannungsmomente, wo in der Erwachsenenwelt der Ernst des Lebens stattfindet, nämlich am Arbeitsplatz. Und so findet man auf vielen Schreibtischen hochwertige und aufwändig zusammengebaute Modellautos oder Geschicklichkeitsspiele, die vom Arbeitsstress ablenken sollen.
Dieser positive Effekt wird in einigen Unternehmen im Bereich der Personalführung eingesetzt. "Und es gibt auch immer mehr Bemühungen, spielerische Momente ins Arbeitsleben einzubauen - unter dem Begriff 'Gamification'. Weil Spielen als Tätigkeit so motivierend ist, dass natürlich auch Schlagwörter wie lebenslanges Lernen immer mehr an Bedeutung gewinnen und man nicht sagt, ich habe nach Schule, Berufsausbildung oder Studium ausgelernt und das war's. Ich muss flexibel bleiben, ich muss mich immer weiter fortbilden. Und grundsätzlich, überall, wo gelernt wird, kann ich auch darüber nachdenken, ob ich nicht auch spielerisch lerne", so Mehringer.
Alfried Schmitz