Wenn man der Wissenschaft glauben darf, müssen wir uns eindeutig Sorgen machen. In Pakistan beispielsweise warnen Wissenschaftler vor dem Ausbruch der Typhuskrankheit, verursacht durch Bakterien, die gegen wirklich alle Antibiotika resistent sind. Es gibt sogar Anzeichen, dass die Typhusbakterien diese Resistenz durch Gentransfer übernommen haben - und zwar von anderen Bakterienarten, beispielsweise von den Kolibakterien, die viel öfters mit Antibiotika in Kontakt kommen und deshalb schon eine gute Resistenz entwickelt haben.
Die Folge: Es gibt nur noch genau ein wirksames Antibiotika gegen Typhus, das oral eingenommen werden kann. Fällt das auch noch weg, dann bleibt nur noch die Möglichkeit einer aufwendigen intravenösen Behandlung. Gerade in Entwicklungsländern kann das zu einer wahrscheinlich tödlichen Katastrophe werden. Und wenn man bedenkt, dass die Resistenz der Bakterien immer weiter zunimmt, dann kann oder muss man sich durchaus Sorgen machen.
Jedes Jahr sterben weltweit 700.000 Menschen an einer nicht behandelbaren Infektion. Sollte es in der Medizin nicht bald zu einem Durchbruch kommen, rechnen Experten für 2050 mit zehn Millionen Menschen pro Jahr.
Wie konnte es dazu kommen?
Lange bevor es überhaupt so etwas wie Medikamente oder Antibiotika gab, mussten Bakterien schon den Angriffen anderer Bakterien widerstehen können. Dadurch hatten sie sich bereits ein wahres Arsenal an Resistenzoptionen aufgebaut. Doch das wusste niemand, dabei hätte man es wissen können. Schon 1914 gab es Studien über Insekten, die recht schnell eine Resistenz gegenüber den neuen Insektenvernichtungsmitteln entwickelt hatten.
Vereinfacht kann man also sagen: Wir haben durch den massiven Einsatz von Antibiotika die Bakterien eigentlich immer schlauer gemacht.
Vergleich mit Glyphosat
In den letzten Jahren ist viel über das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat diskutiert worden. Die Zulassung in der EU wurde letztes Jahr zwar nochmal mit knapper Mehrheit für fünf Jahre verlängert. Neben den möglichen gesundheitlichen Risiken für den Menschen ist aber auch die Wirksamkeit von Glyphosat umstritten.
Glyphosat wird mittlerweile schon seit über 20 Jahren als Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt - und das mit großem Erfolg. Konsequenz: Es wurde nicht weiter geforscht.
In der Zeit haben 40 Pflanzensorten bereits eine Glyphosat-Resistenz entwickelt. Deshalb mussten die Landwirte später auf Uraltmittel aus den 1940er Jahren zurückgreifen, um das Unkraut zu bekämpfen. Und dagegen haben die meisten jetzt auch wieder eine Resistenz entwickelt.
Anderes Beispiel sind die Insektenvernichtungsmittel: Mehr als 550 Insektenarten sind bereits resistent gegen mindestens ein, meist sogar gegen mehrere Insektizide.
Krankenhauskeime
Immer wieder ist in den Medien auch die Rede von Krankenhauskeimen, an denen in Europa jedes Jahr über 2,6 Millionen Menschen erkranken. In über 90.000 Fällen endet eine Ansteckung sogar tödlich.
Dieser Entwicklung beikommen, kann man natürlich zuallererst mit strengen Hygienevorschriften in den Krankenhäusern. Das ist immens wichtig, kann aber auch nach hinten losgehen. Denn durch häufiges Händewaschen verschwinden auch die guten Bakterien, die als eine Art Puffer gegen die schlechten Bakterien funktionieren.
Die sogenannten multiresistenten Krankenhauskeime sind gegen nahezu jedes Antibiotika immun. Angefangen hatte das aber schon in den 1940er Jahren mit dem wohl berühmtesten Antibiotikum: Penicilin. Und so hat sich die Resistenz über die Jahrzehnte weiterentwickelt.
Dabei nutzen die Bakterien im wahrsten Sinne des Wortes intelligente Strategien. Wissenschaftler haben beobachtet, wie Krankenhausbakterien harmlose Bakterien quasi vorschicken, um eine Infektion zu verursachen, damit die vom Antibiotikum angegriffen werden, und nicht sie selbst.
Wie spitzfindig die Natur sein kann, sieht man zum Beispiel auch in Reisfeldern: Der sogenannte Unkraut-Reis sieht durch genetische Entwicklung fast genau so aus wie der normale Reis, damit man ihn nicht so leicht erkennen und rausreißen kann.
Was kann die Wissenschaft tun?
Es gibt schon Sensibilisierungskampagnen, weniger Antibiotika zu nehmen bzw. zu verschreiben. Doch das läuft noch nicht so wie erhofft. Weiß ein Arzt nämlich nicht exakt, was der Patient hat, dann verschreibt er lieber ein Breitbandantibiotikum, um sicher zu sein.
Eine andere Möglichkeit ist die Kombinationstherapie. Werden mehrere Medikamente gleichzeitig eingesetzt, dann sinkt das Resistenzrisiko. Man kann auch Medikamente verschreiben, die es früher mal gegeben hat, weil da die Bakterien noch keine Resistenz entwickelt haben.
Alles in allem ist es aber letztendlich auch eine Kostenfrage. Neue Medikamente oder Pestizide zu entwickeln, ist sehr teuer. Seit 2000 sind gerade mal zwölf neue Antibiotika auf den Markt gekommen - und viele sind nicht mal effektiver. Die Not ist also groß und ein komplett neuer Ansatz scheint nötig.
knack/vk/mg