Der berüchtigte russische Geheimdienst FSB kann künftig wie sein sowjetischer Vorgänger KGB schon beim leisesten Verdacht auch ohne Beweise direkt gegen Bürger vorgehen. Das von Bürgerrechtlern und Oppositionellen scharf kritisierte Gesetz trat am Donnerstag mit der Unterschrift von Kremlchef Dmitri Medwedew in Kraft.
Kremlkritiker bezeichneten dies als «weiteren Schritt zur Festigung des Polizei- und Überwachungsstaates». Medwedew, der diese Ausweitung der Vollmachten für die russische Stasi selbst initiiert hatte, gab erneut keine Erklärung dazu ab. Ziel des Gesetzes ist nach offizieller Lesart, Extremismus sowie Terror zu bekämpfen.
Der Inlandsgeheimdienst darf demnach Bürger bei «auffälligem Verhalten» zu einem «vorbeugenden Gespräch» vorladen. Gegner befürchten, dass das Gesetz wie viele andere auch dazu genutzt werden könnte, Andersdenkende in Russland weiter einzuschüchtern. «Das ist ein drakonisches Gesetz, das seinesgleichen in der Welt sucht und uns vor allem an unsere repressive Vergangenheit erinnert», sagte der frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow.
Wer den Anordnungen des Geheimdienstes nicht Folge leistet, kann mit bis zu umgerechnet 1250 Euro Geldbuße oder 15 Tagen Haft bestraft werden. Auch aus den Reihen regierungstreuer Kräfte gab es Tadel besonders wegen unklarer Formulierungen des Dekrets, das dem Geheimdienst praktisch unbegrenzte Macht verleihe. Der Chef des Föderationsrats, Sergej Mironow, stimmte Mitte Juli demonstrativ gegen die Ausweitung der FSB-Befugnisse. Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung lehnt die Initiative ab.
Im Föderationsrat und in der Staatsduma kamen die Ja-Stimmen vor allem aus der von dem Regierungschef und Ex-KGB-Offizier Wladimir Putin geführten Partei Geeintes Russland. Medwedew hatte sich bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Jekaterinburg eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands verbeten. Merkel hatte vor dem Hintergrund der Erfahrungen vieler Deutscher mit der DDR-Stasi die Einhaltung der Menschenrechte in Russland angemahnt.
Wolfgang Jung (dpa)