Star-Aufführungen und Skandale, fast überirdische Kunst und allzu menschliche Eifersüchteleien: Der Festakt zur Eröffnung der 90. Salzburger Festspielen widmete sich aber ganz dem Weltfrieden. Dirigent Daniel Barenboim appellierte als Festredner mehrfach an die Beteiligten am Nahost-Konflikt, endlich aufeinander zuzugehen. Die Festspiele sieht er gemäß ihrer Gründungsaufgabe als Friedensstifter nach dem Ersten Weltkrieg in der Verantwortung, solchen Diskussionen ein Forum zu geben.
Anders als der Schriftsteller Daniel Kehlmann erntete der pazifistische Musiker am Montagmorgen uneingeschränkte Zustimmung. Kehlmann hatte der Festspielgeschichte als Festredner 2009 mit scharfer Regietheater-Schelte ein weiteres Skandälchen hinzugefügt.
Das weltberühmte Festival hat in diesem Jahr das Motto «Wo Gott und Mensch zusammenstoßen, entsteht Tragödie». Bis Ende August stehen rund 200 Opern- oder Theateraufführungen, Konzerte und Lesungen auf dem Programm. Neben dem Großen Festspielhaus gibt es elf weitere Spielorte. Den Auftakt zum Aufführungsreigen machte am Sonntagabend ein viel umjubelter «Jedermann» auf dem Salzburger Domplatz.
«Jedermann von Präsident Ahmadinedschad bis Präsident Obama redet heute über Frieden, aber warum sind wir dann so weit davon entfernt, ihn herbeizuführen», fragte Barenboim. Friede sei mehr als der Zustand von Nicht-Aggression, man müsse etwas aktiv dafür tun: «Friede verlangt Perfektion, nämlich die Vollkommenheit von Gerechtigkeit, Strategie und Mitgefühl.»
Er appellierte eindringlich an Israelis und Palästinenser, endlich aufeinander zuzugehen: «Ein Missklang hängt seit Jahrzehnten in der Luft, und es wird mehr als eine Stimme nötig sein, um diese Dissonanz aufzulösen.» Barenboim engagiert sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit seinem West-Eastern Divan Orchestra mit arabischen und israelischen Jugendlichen für Verständigung in der Region.
Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler blickte in ihrem Grußwort auf 90 Jahre Ruhm und Reibereien zurück. Großes Welttheater habe es eben auf, neben und hinter der Bühne gegeben, lautete ihr Urteil. Noch-Intendant Jürgen Flimm, der nach dieser Saison an die Berliner Oper unter den Linden wechselt, bedankte sich bei seinen Mitarbeitern und zitierte aus Texten von Max Reinhardt. Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer erklärte die Festspiele offiziell für eröffnet und sinnierte gemäß dem Motto über gottgegebenes Schicksal: «Je mehr der Mensch seinem Schicksal zu entkommen versucht, desto größer und wuchtiger ereilt ihn dieses.»
Die Salzburger Festspiele wurden 1920 vom Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal, dem Regisseur Max Reinhardt und dem Komponisten und Dirigenten Richard Strauss gegründet. Sie sollten den Menschen nach dem Ersten Weltkrieg wieder Hoffnung geben. Als erstes Stück stand der noch heute gespielte «Jedermann» auf dem Domplatz auf dem Programm. In den vergangenen 90 Jahren ist das Festival - unter anderem durch den langjährigen Leiter Herbert von Karajan - weltberühmt geworden.
Miriam Bandar (dpa) - Bild: epa