Die EU bedauert die Entscheidung des US-Präsidenten. Kaum war die Rede von Donald Trump vorbei, kaum hatte er den Ausstieg seines Landes aus dem Atomdeal mit dem Iran verkündet, da stellte sich die Außenbeauftragte Federica Mogherini auch schon vor die Presse. Mit versteinerter Miene. Ihr war die Wut regelrecht anzusehen.
Mogherini war dabei, als das Atomabkommen mit dem Iran 2015 geschlossen wurde. Als einen diplomatischen Meilenstein hatte sie den Deal damals bezeichnet. Und das sieht sie immer noch so. Das Abkommen sei das Ergebnis eines zwölfjährigen diplomatischen Ringens. Es habe funktioniert und habe auch sein Ziel erreicht, nämlich dafür zu sorgen, dass der Iran keine Atomwaffen entwickelt. Und die EU sei fest entschlossen, das Abkommen zu retten.
Diplomatische Ohrfeige
Die Stellungnahme der EU-Chefdiplomatin klang mitunter wie eine - zwar immer noch diplomatische - Ohrfeige. Der Atomdeal sei kein bilaterales, sondern ein multilaterales Abkommen, bei dem ja viele Partner am Tisch saßen. Neben den USA, der EU und dem Iran waren das ja auch Großbritannien, Frankreich und Deutschland und auch Russland und China. Keinem Land stehe es zu, einen solchen Vertrag einseitig aufzukündigen, sagte Federica Mogherini.
Und auch die Argumente, mit denen Trump seine Entscheidung rechtfertigt hatte, fegte Mogherini ziemlich unzweideutig vom Tisch. Trump hatte unter anderem erklärt, dass es klare Beweise dafür gebe, dass Iran diverse seiner Versprechen nicht eingehalten habe. Für Mogherini haben sich die Iraner demgegenüber sehr wohl an die Auflagen gehalten. Und man habe auch Vertrauen in die Arbeit der Internationalen Atomenergiebehörde, die ja dem Regime in Teheran auf die Finger schaut.
Am Ende wandte sich Federica Mogherini sogar direkt an die Iraner. " Bleiben Sie ihren Verpflichtungen treu, so wie wir unseren Verpflichtungen treu bleiben werden. Dann werden wir zusammen den Atomdeal retten."
Doch stehen die Chancen hier nicht sonderlich gut. Da gebe es natürlich erstmal eine Grundbedingung, machte Außenminister Didier Reynders in der RTBF klar: "Um das Abkommen zu retten, muss sich der Iran erstmal weiter an die Auflagen halten." Wobei jedem klar ist, dass der Deal eigentlich so gut wie tot ist.
Michel warnt vor neuem Krieg
Premierminister Charles Michel reagierte - wie viele andere Europäer - noch am Abend regelrecht alarmiert. Diese Entscheidung von Donald Trump sei sehr gefährlich, sagte Michel in der VRT. Schon jetzt sei der Mittlere Osten extrem instabil. Und der neuerliche amerikanische Schritt werde die Lage wohl eher noch verschlimmern. Auf Twitter warnte Michel sogar schon vor einem möglichen neuen Krieg in der Region.
Denn, nicht vergessen, hakt auch Außenminister Didier Reynders ein: Wir sehen ja schon jetzt Stellvertreterkriege im Mittleren Osten, bei denen sich die Regionalmächte indirekt gegenüberstehen, wie etwa im Jemen oder in Syrien. Wenn man jetzt den Iran wieder isoliert und in die Enge treibt, dann wird die Gemengelage nur noch explosiver. Mal ganz abgesehen von den neuen Sanktionen, die Trump angekündigt hat und die auch einen Schatten werfen auf die europäischen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran.
Pacta sunt servanda
Das wohl größte Problem ist aber wohl die Verlässlichkeit, die Glaubwürdigkeit, die der Amerikaner und damit auch die der übrigen westlichen Staaten. "Pacta sunt servanda", so sagt schon der Lateiner, was zeigt, dass die Maxime nicht neu ist. "Verträge sind einzuhalten".
Gilt dieses Prinzip nicht mehr, dann werden multilaterale Abkommen unmöglich. Genau solche Verträge sind aber für eine halbwegs funktionierende Weltordnung unerlässlich. Ganz aktuelles und konkretes Beispiel, sagt Didier Reynders: Welchen Wert hätte denn da noch ein mögliches Abkommen mit Nordkorea, wenn jeder es jederzeit einseitig aufkündigen kann?
Am Montag wollen sich die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens mit Vertretern Teherans treffen. Das kündigte der Pariser Außenminister Jean-Yves Le Drian an. Le Drian sagte, die Vereinbarung sei unentbehrlich für die Sicherheit der Region.
Roger Pint