Nach der Einigung von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag wächst auf beiden Seiten die Kritik an den Vereinbarungen. Der Wirtschaftsrat der CDU hat die Verteilung der Ministerien in der geplanten neuen großen Koalition kritisiert. Mit dem Sozial- und dem Familienressort gingen zwei der ausgabenträchtigsten Ministerien an die SPD. Dadurch, dass die SPD zudem das Schlüsselressort Finanzen erhalte, winke ein Ende solider Haushaltspolitik.
Bei der SPD gibt es Unmut über die geplanten Personalrochaden. Juso-Chef Kevin Kühnert zeigte sich überzeugt, dass die Parteibasis die Koalition beim Mitgliederentscheid verhindern werde. SPD-Chef Martin Schulz hatte am Mittwoch nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen seinen Rückzug als Parteivorsitzender angekündigt und Fraktionschefin Andrea Nahles als seine Nachfolgerin vorgeschlagen. Schulz will Außenminister unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden, wenn die SPD-Basis bei der anstehenden Mitgliederbefragung der großen Koalition zustimmt.
Steinmeier: Wir sind einen Schritt weiter
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD als wichtigen Schritt. Steinmeier sagte am Donnerstag bei seinem Besuch in Südkorea: "Ich weiß, dass man im Ausland und vor allem in Europa auf den Abschluss der Regierungsbildung wartet. Und deshalb denke ich, wir sind zumindest einen Schritt weiter." Im Gespräch mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In verwies Steinmeier aber auch darauf, dass der SPD-Mitgliederentscheid über eine neue große Koalition noch aussteht.
Nahles rechnet mit "Ja" der SPD-Basis
Die designierte SPD-Vorsitzende Nahles setzt auf eine Zustimmung der SPD-Basis. Es werde nicht leicht, sie gehe aber fest davon aus, dass die Mehrheit der über 460.000 Parteimitglieder beim anstehenden Entscheid "Ja" zu dem dem Vertrag sagen werde, sagte sie am Mittwochabend im ZDF. Die Vereinbarung trage eine sozialdemokratische Handschrift. "Und zwar richtig dicke."
Union und SPD hatten sich am Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Neben Inhalten verständigten sich die Parteien auf die Verteilung der Ministerien. Die SPD, die bei der Bundestagswahl nur 20,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte, schnitt dabei überraschend gut ab, die CDU relativ schlecht.
Die SPD soll sechs der 15 Ressorts bekommen, darunter das prestigeträchtige Außenministerium. Am Mittwoch hatte CDU-Chefin Merkel in der Unionsfraktion versucht, Bedenken wegen des Verlustes des Finanzministeriums zu zerstreuen. Die Kanzlerin sagte in der Fraktion laut Teilnehmerkreisen, sie wisse, dass dies Vielen Sorgen bereite. Sie verwies aber auf die große Bedeutung des Bundestags in Haushaltsfragen.
dpa/sh/est