Das Europäische Übersetzer-Kollegium ist in einem Gebäudekomplex untergebracht, der aus sechs umgebauten historischen Häusern besteht und der direkt neben der katholischen Kirche, mitten im historischen Ortskern liegt. Derzeit sind Handwerker im Haus. Eine gründliche Renovierung war dringend erforderlich geworden. Mitten im Umbau-Chaos: Dr. Regina Peeters, die Geschäftsführerin des Europäischen Übersetzer-Kollegiums.
Das Herz des Gebäudes ist ein lichtdurchflutetes Atrium mit Glasdach. Hier finden Lesungen und Diskussionen statt und hier wird alljährlich der Straelener Übersetzerpreis verliehen. "Wir haben ein sehr großes Haus, viel größer, als Sie überhaupt von außen sehen können. Wenn man von außen kommt, denkt man: Mein Gott ist das klein! Aber es geht viel weiter. Wir haben fast 3.000 Quadratmeter Wohnfläche mit 30 Zimmern", erklärt Regina Peeters. Darin können Übersetzer aus aller Welt wohnen und arbeiten.
Jedes Jahr kommen rund 700 Gäste. Dr. Renate Birkenhauer ist die Witwe einer der beiden Gründer dieser außergewöhnlichen Literatur-Herberge und Vizepräsidentin des Kollegiums-Vorstandes. "Jedes Zimmer ist völlig anders in seinem Grundriss und jedes Zimmer hat Schreibtisch, Computer, Bett und ein Bad, also eine kleine Nasszelle und Bücherregale, jede Menge Bücherregale", erklärt sie.
Die sind Teil einer riesigen Sammlung von über 125.000 Büchern, die auch auf Regale in den Fluren des Gebäudes verteilt sind. Man kommt sich vor, wie in einer bewohnbaren Bibliothek. Ein Paradies für Bücherwürmer. Und die Auswahl kennt keine Grenzen: hohe Literatur, alte Nachschlagewerke, Fachbücher, Lexika. Aber auch recht ungewöhnliche Broschüren sollen den Autoren bei ihrer Arbeit helfen. Über 20.000 Werke deutscher oder ausländischer Schriftsteller wie Sloterdijk, Proust, Böll, Grass, Goethe, aber auch Kinderliteratur wie "Pumuckl" oder "Der Räuber Hotzenplotz" wurden seit Bestehen des Kollegiums in jede nur erdenkliche Sprache übertragen.
Um ein Zimmer in der Literatur-Residenz zu bekommen, müssen die Übersetzer einen Verlags-Auftrag nachweisen können. Da die Einrichtung aus Spenden und vom Land NRW voll finanziert wird, ist die Unterkunft frei. Dementsprechend sind die Plätze heiß begehrt. "Bei uns trudeln täglich drei bis fünf Bewerbungen ein. Ich habe gerade heute Bewerbungen aus dem Iran bekommen, aus Lettland und aus Estland", sagt Regina Peeters.
Das kleine Straelen am Niederrhein hat sich über die Jahre zum Nabel der Welt in Sachen Literaturübersetzungen entwickelt. "Es ist eine sehr schöne, sehr freundliche Stadt. Wenn man beim Bäcker sagt, man kommt aus dem Übersetzer-Kollegium bekommt man immer die besseren Brötchen und das schönere Stück Fleisch beim Metzger, weil auch die Straelener stolz auf diese Einrichtung sind", so Peeters.
Alfried Schmitz