Die junge, charismatische Oppositionsführerin Katrin Jakobsdottir könnte mit einem linken Bündnis Regierungschefin werden. Dafür braucht sie jedoch mehr Partner als gewünscht. Zugleich erhebt der umstrittene bisherige Ministerpräsident Bjarni Benediktsson als Chef der stärksten Partei Anspruch auf das Amt. Wer von ihnen Island regieren wird, wird wohl erst nach schwierigen Koalitionsgesprächen feststehen.
Nach der Wahl am Samstag kommt Benediktssons Unabhängigkeitspartei als stärkste Kraft auf rund 25 Prozent und verliert damit deutlich. "Bei Wahlen geht es um eines: um Stimmen. Und wir haben die meisten Stimmen", rief Benediktsson in der Wahlnacht seiner Partei zu. Um Regierungschef zu bleiben, könnten ihm jedoch die Koalitionspartner fehlen, nachdem das Mitte-Rechts-Bündnis im September in einem Skandal um einen Sexualverbrecher platzte.
Jakobsdottirs links-grüne Bewegung gewinnt als zweitstärkste Partei rund 17 Prozent der Stimmen - ein leichtes Plus. Für das zuvor hoch gehandelte linke Dreierbündnis mit Sozialdemokraten und Piratenpartei reicht es aber nicht. Zwar legen die Sozialdemokraten wieder deutlich zu, die Piraten jedoch büßen nach dem Hype bei der letzten Wahl Stimmen ein. "Ich hoffe", sagte die 41-jährige Oppositionsführerin dennoch, "dass wir die nächste Regierung anführen werden und diese Gesellschaft besser für die Menschen machen."
Die Insel im Norden hatte sich mit ihren rund 330.000 Einwohnern wirtschaftlich erstaunlich schnell vom katastrophalen Finanzcrash 2008 erholt - angetrieben vor allem von einem wachsenden Tourismus. Politisch jedoch ging es in den vergangenen zwei Jahren drunter und drüber. Erst die Enthüllung der "Panama Papers", in deren Zug der damalige Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson zurücktrat. Er soll Mitinhaber einer Briefkastenfirma in einem Steuerparadies gewesen sein.
Die Menschen kochten vor Wut - wählten dann aber doch wieder fast die gleiche Machtelite. Bis die Mitte-Rechts-Regierung der konservativen Unabhängigkeitspartei mit den kleineren Parteien "Bright Future" und "Vidreisn" stand, dauerte es lange. Dann hielt sie keine neun Monate. Benediktsson hatte gerade den Haushalt für 2018 präsentiert, da ließ "Bright Future" die Koalition im September platzen. Sie wirft den Konservativen vor, einen Skandal um einen Sexualstraftäter zu vertuschen.
Benediktssons Vater Benedikt Sveinsson hatte sich für einen Mann verbürgt, der seine minderjährige Stieftochter jahrelang vergewaltigt und deswegen eine fünfeinhalb Jahre lange Gefängnisstrafe verbüßt hatte. Er wollte, dass das Strafregister des Mannes gelöscht wird. Weil die Unabhängigkeitspartei das geheim hielt, verließ "Bright Future" die Regierung. Damit besiegelte die kleine Partei vorerst auch die eigene Zukunft: Sie schaffte es in der Neuwahl nicht über die Fünf-Prozent-Hürde und wird damit künftig nicht einmal im Parlament sitzen.
Zu den Gewinnern zählt dagegen die erst kurz vor der Wahl von Ex-Regierungschef Gunnlaugsson gegründete Zentrumspartei. Sie kam aus dem Stand auf mehr als zehn Prozent und könnte ein Partner für Jakobsdottirs linkes Bündnis sein.
dpa/rkr/km