Kaum eine andere Persönlichkeit hat Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts in Frankreich so verkörpert wie Simone Veil. Als sich die Nachricht ihres Todes am Freitag verbreitete, reagierten Menschen auf der Straße betroffen. Politiker aus allen Lagern würdigen sie als eine "grande dame", als eine herausragende Frau, die ihre Zeit geprägt habe. Ihr Beispiel solle die Franzosen inspirieren, sagte Staatspräsident Emmanuel Macron.
Die Popularität von Simone Veils war ungebrochen. In der regelmäßig veröffentlichten Beliebtheitsskala des Wochenblatts "Le Journal de Dimanche" belegte die frühere Ministerin stets einen der vorderen Plätze, die sonst nur Showstars oder Schauspielern vorbehalten sind. "Simone Veil bleibt unsterblich" - so brachte es der ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy auf den Punkt.
Veil war eine Kämpferin und setzte sich für das Recht der Frauen ein. Als Gesundheitsministerin unter Valéry Giscard d'Estaing liberalisierte sie in den 1970er Jahren das Abtreibungsrecht und machte sich damit landesweit einen Namen. Die Worte, die sie 1974 in der französischen Nationalversammlung sprach, hat niemand vergessen. Dabei siegten der Mut und die Entschlossenheit dieser herausragenden Persönlichkeit: "Keine Frau entscheidet sich frohen Herzens für Abtreibung, es genügt den Frauen zuzuhören. Es ist jedes Mal eine Tragödie", sagte Simone Veil.
Doch Simone Veil war auch eine große Europäerin. Sie, die als Jüdin 1944 mit ihrer Schwester und ihrer Mutter deportiert und die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen überlebte, trat später in ihrem Leben für die europäische Einheit ein. Aber auch für die deutsch-französische Aussöhnung. Simone Veil wurde 1979 die erste Präsidentin des Europaparlaments - damals eine Sensation. Sie erhielt tosenden Applaus. "Ich möchte Ihnen alle für das Vertrauen danken, das Sie mir bei der Ernennung für diesen wichtigen Posten entgegen gebracht haben", sagte sie damals.
Simone Veil, die Juristin, die Frauenrechtlerin, die Schriftstellerin bekleidete mehrmals Ministerämter, sie erhielt viele Auszeichnungen, unter anderem im Mai 1981 den Aachener Karlspreis. Dabei wurde ihr Wirken für die Einigung Europas und ihr entschlossenes Eintreten für die Rechte der ersten frei und direkt gewählten Vertretung aller in der Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossenen Völker Europas gewürdigt.
2008 wurde die Schriftstellerin Simone Veil in die berühmte Académie française gewählt. Frankreich und Europa verlieren mit ihr eine der wohl wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.
dpa/mitt/belga/cd - Bild: Francois Guillot/AFP