Der erbitterte Rechtsstreit um Donald Trumps Einreiseverbote geht in die nächsthöhere Instanz. Nach einer vorläufigen Blockade der Visa-Sperre für viele Muslime durch einen Bundesrichter in Seattle rief die US-Regierung am Samstagabend (Ortszeit) ein Berufungsgericht an - eine inhaltliche Begründung sollte folgen. Sollte ihr Antrag Erfolg haben, könnte Präsident Trump sein zwangsgestopptes Einreiseverbot sofort wieder in Kraft setzen. Wann die Berufungsinstanz in San Francisco entscheiden wird ist noch unklar.
Trump hatte mit zornigen Tweets auf die Entscheidung von Richter James Robart vom Freitagabend reagiert und ihn sogar direkt angegriffen. "Die Meinung dieses sogenannten Richters, die praktisch unserem Land die Durchsetzung von Gesetzen wegnimmt, ist irrwitzig und wird überstimmt werden!" schrieb Trump am Samstag auf Twitter.
Später legte er nach: "Wie weit ist es mit unserem Land gekommen, wenn ein Richter einen Reisebann stoppen und jeder, sogar mit bösen Absichten, in die USA kommen kann?" Am Abend warf er Robart dann vor, das Land "für potenzielle Terroristen geöffnet" zu haben: "Böse Menschen sind sehr glücklich!"
Rechtsexperten nannten es einen äußerst ungewöhnlichen Vorgang, dass ein amtierender Präsident die Legitimität und Kompetenz eines Richters offen in Frage stellt.
Dennoch war das Außenministerium nach dem Richterspruch gezwungen, die Annullierung von Visa für 60.000 bis 100.000 bereits von der Sperre betroffene Ausländer rückgängig zu machen. Das Heimatschutzministerium ordnete seinerseits an, "alle Aktionen zur Umsetzung" des Trump-Dekrets auszusetzen, wie es in einer amtlichen Mitteilung hieß. Reisenden würden nun wieder so überprüft wie vor der Anweisung Trumps.
Diese Schritte bedeuten aber nicht, dass alle Betroffenen jetzt sofort in die USA einreisen können. Das gilt nach Angaben der zuständigen Behörden nur für jene, die im Besitz eines gültigen Visums sind. Wem dieses "physisch" durch einen Stempel im Pass entzogen worden sei, müsse einen neuen Antrag stellen.
Die Regierung hatte schon am Samstagmorgen (Ortszeit) die Airlines in einer Telefonkonferenz angewiesen, betroffene Fluggäste mit gültigem Visum nicht länger vom Flug in die USA abzuhalten. Immigrationsberater empfahlen, die Reise nun möglichst rasch anzutreten - bevor sich vielleicht die Rechtslage wieder ändert. Wie viele am Wochenende in Richtung USA aufbrachen oder dort bereits eintrafen, war zunächst nicht bekannt.
Bundesrichter Robart war einem Antrag des demokratisch regierten US-Staates Washington gefolgt, dem sich Minnesota angeschlossen hatte. In der Beschwerde hieß es unter anderem, das Dekret trenne Familien, füge Tausenden Einwohnern sowie der Wirtschaft des Staates Schaden zu und untergrabe Washingtons hoheitliches Interesse, "ein einladender Ort für Immigranten und Flüchtlinge zu bleiben".
Robart folgte der Argumentation und betonte in seiner Urteilsbegründung auch, dass das Gericht "unter den gegebenen Umständen" seinen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen durch die Gewaltenteilung im Land nachkommen müsse. Mit dem Hinweis, dass Immigrationsregelungen für alle US-Bundesstaaten gleichermaßen gelten müssten, setzte der Richter die Einreiseverbote landesweit aus.
Er ging damit weiter als mehrere andere Richter vor ihm: Diese hatten mit Anweisungen lediglich verhindert, dass bereits in den USA eingetroffene Reisende aus "Verbotsländern" festgehalten oder abgeschoben werden. Trump hatte mit seinem Dekret unter anderem einen befristeten Einreisestopp für Flüchtlinge und für Menschen aus sieben mehrheitlich islamischen Ländern verfügt.
Das Bundesberufungsgericht in San Francisco ist für den 9. Bezirk zuständig, der mehrere Westküstenstaaten umfasst - und nach der Entscheidung aus Seattle daher auch die Instanz, bei der die US-Regierung Widerspruch einlegen muss. Das Gericht gilt als besonders liberal, was Kritiker des Trump-Erlasses hoffnungsvoll stimmt. Viele Rechtsexperten erläuterten jedoch im US-Fernsehen, das US-Justizministerium habe durchaus Chancen, zumindest eine Aussetzung der Blockade durch den Bundesrichter zu erwirken. Sie verwiesen darauf, dass Ausländer an sich kein garantiertes Recht auf Einreise in die USA und auch kein automatisches Recht auf ordentliche Prozeduren unter US-Statuten hätten. Ein Schwachpunkt der Gegenseite könne auch sein, dass der Richter in Seattle für seine Entscheidung landesweite Geltung beansprucht habe.
Generell wird erwartet, dass der Rechtsstreit am Ende vor dem höchsten US-Gericht landet - und sich das Land damit erst in der frühen Phase einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung befindet.
dpa/rkr - Bild: Mandel Ngan/AFP