Nach einem äußerst aggressiven Wahlkampf wählen die USA am Dienstag einen neuen Präsidenten. Die meisten Umfragen sagten einen Sieg der Demokratin und früheren Außenministerin Hillary Clinton (69) voraus.
Nach Berechnungen des Umfrage-Experten Nate Silver vom Blog "FiveThirtyEight" lag ihre Gewinnchance bei 72 Prozent. Aber auch ihr republikanischer Rivale, der Milliardär und Quereinsteiger Donald Trump (70), setzte wegen des extrem engen Rennens in einigen Staaten auf Sieg.
Das Ergebnis sollte Mittwochmorgen feststehen. Der Sieger der ruppigen Wahlschlacht wird am 20. Januar in das Weiße Haus einziehen und Amtsinhaber Barack Obama nach dessen achtjähriger Amtszeit ablösen. Obama war der erste schwarze Präsident in der US-Geschichte. Sollte Clinton gewinnen, wäre sie 240 Jahre nach Gründung der USA und rund 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts die erste Präsidentin des Landes.
Lange Schlangen
Vor einigen Wahllokalen bildeten sich am Dienstagmorgen lange Warteschlangen. In North Strabane in Pennsylvania mussten Wähler bis zu 90 Minuten auf ihre Stimmabgabe warten, wie der Sender CNN berichtete. Ähnlich lange Schlangen waren in Michigan und im besonders hart umkämpften Staat North Carolina zu sehen.
Trump wählte in seiner Heimatstadt New York gemeinsam mit seiner Ehefrau Melania. "Alles sieht sehr gut aus", sagte Trump Reportern. Zuvor hatte er dem Fernsehsender Fox News gesagt: "Ich habe meine Entscheidung getroffen, ich stimme für Trump".
Hillary Clinton und ihr Ehemann, der frühere Präsident Bill Clinton, gaben in einem Wahllokal in ihrem Wohnort Chappaqua (New York) ihre Stimme ab. "So viele Menschen bauen auf den Ausgang der Wahl heute", sagte Clinton dem Sender CNN. "Ich tue das Beste, was ich kann".
Parlamentswahl
Ein historischer Wahlsieg hätte für Clinton einen bitteren Beigeschmack, wenn ihre Demokraten bei der zeitgleichen Parlamentswahl nicht wenigstens die Mehrheit im Senat zurückerobern. Auf eine Mehrheit in der zweiten Kammer, dem Abgeordnetenhaus, konnten die Demokraten laut Umfragen von vornherein nicht rechnen.
Als Präsidentin oder Präsident können Clinton oder Trump viel, aber längst nicht alles ohne den US-Kongress entscheiden - beispielsweise in der Gesetzgebung, bei der Besetzung hoher Regierungsämter oder bei der Ernennung von Richtern für den Obersten Gerichtshof.
In den letzten Stunden des Wahlkampfs versuchten beide Kontrahenten noch einmal alles, in besonders heiß umkämpften US-Staaten die Bürger auf ihre Seite zu bringen. Beide Kandidaten investierten zum Schluss noch einmal Millionen Dollar in TV-Werbespots. Während die Kandidaten noch bei ihren letzten Wahlkampfauftritten auf der Bühne standen, wurden am Dienstag bereits die ersten Stimmen ausgezählt.
Bei der traditionellen mitternächtlichen Abstimmung in drei Örtchen im US-Bundesstaat New Hampshire lag der Republikaner Trump in der Nacht mit insgesamt 32 zu 25 Stimmen gegen die Demokratin Clinton in Führung. In dem kleinsten der Orte, Dixville Notch, setzte sich Clinton mit 4:2 Stimmen gegen Trump durch.
Clinton und Lady Gaga, Trump und Independence Day
Währenddessen hielt Clinton zusammen mit Popstar Lady Gaga noch eine Wahlkampfveranstaltung in Raleigh (Bundesstaat North Carolina) ab. Clinton gab ihren Anhängern eine Empfehlung mit auf den Weg, für den Fall, dass deren Kinder und Enkel sie später fragten, was sie im Jahr 2016 getan hätten, "als alles auf dem Spiel stand". Die Antwort laute: "Ihr habt für ein stärkeres, faireres, besseres Amerika gestimmt - ein Amerika, wo wir Brücken bauen, nicht Mauern."
Trump schloss derweil seinen letzten Tag als Kandidat in Grand Rapids (Michigan) ab. "Heute ist unser Unabhängigkeitstag", zitierte er leicht verändert einen Spruch aus dem Hollywood-Film "Independence Day" von 1996. "Wir beenden endlich das Kapitel der Geschichtsbücher über die Clintons, ihre Leben, ihre Machenschaften, ihre Korruption."
Große US-Zeitungen ohne Bezahlschranke
Die Online-Angebote der drei großen US-Zeitungen "New York Times", "Washington Post" und "Wall Street Journal" lassen während der Präsidentschaftswahl ihre Bezahlschranke fallen.
Die Chefredaktionen begründeten dies damit, dass Interessierte das bestmögliche Informationsangebot zur Verfügung haben sollten. Das freie Angebot gelte bis einschließlich Mittwoch.
270 Wahlmännerstimmen
Wahlberechtigt waren etwa 219 Millionen Menschen. Voraussetzung war, dass sich ein Wähler registrieren ließ und nicht von der Wahl ausgeschlossen wurde - beispielsweise wegen einer kriminellen Vergangenheit. Mehr als 42 Millionen Amerikaner haben bereits frühzeitig abgestimmt.
Am Ende gewinnt nicht der Kandidat, der landesweit die meisten Stimmen auf sich vereint. Denn der US-Präsident wird nur indirekt vom Volk gewählt. Jeder Bundesstaat hat eine bestimmte Zahl von Stimmen in einem 538-köpfigen Gremium aus Wahlmännern und -frauen zu vergeben. Deren Zahl richtet sich nach der Bevölkerungsgröße eines jeden Staates. Wer ins Weiße Haus einziehen will, braucht mindestens 270 Wahlmännerstimmen.
Die Wahllokale schließen ab 18 Uhr Ortszeit. Erste Ergebnisse einzelner Staaten werden nicht vor 1 Uhr (MEZ) erwartet.
dpa/km - Bild: Tasos Katopodis/AFP