SPD gegen große Koalition mit CDU
Verkehrte neue Politikwelt in Nordrhein-Westfalen: Ministerpräsident Rüttgers führt die Regierung, hat aber keine Mehrheit im Parlament. SPD-Landeschefin Kraft verzichtet auf den Kampf um die Regierung, kann aber im Landtag bei vielen Themen auf Mehrheiten setzen.
Das Tauziehen um die neue Regierung in Nordrhein-Westfalen ist zunächst beendet: Die SPD verzichtet auf sämtliche Koalitionsoptionen ebenso wie auf eine Minderheitsregierung. Damit zog der Landesvorstand der NRW-SPD am Freitagabend einen überraschenden Schlussstrich unter die wochenlangen Sondierungen.
Zur Möglichkeit einer Neuwahl äußerte sich SPD-Landesparteichefin Hannelore Kraft nicht klar: «Ich habe Ihnen doch gesagt, wir gestalten den Politikwechsel über die inhaltliche Seite aus dem Parlament heraus.» Kraft will dem Parteirat empfehlen, aus der Opposition heraus die Politik in NRW zu gestalten: «Ich gehe davon aus, dass es in vielen Feldern Mehrheiten gibt», sagte sie nach rund dreistündigen Beratungen in Düsseldorf.
Keine Minderheitsregierung: Rüttgers bleibt geschäftsführend im Amt
Gleichzeitig habe es im Vorstand eine breite Übereinstimmung gegeben, «dass die SPD eine Minderheitsregierung derzeit nicht anstreben sollte». Damit bleibt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) weiter geschäftsführend mit seinem schwarz-gelben Kabinett im Amt. Er hat aber keine Mehrheit im Parlament. Ein Acht-Augen-Gespräch unter ihrer und Rüttgers' Leitung habe am Freitag in den strittigen Fragen zwischen CDU und SPD «nicht zu einer Konkretisierung geführt», sagte Kraft. «Das Reden ist beendet. Jetzt geht es ans Handeln.»
Die CDU warf der SPD vor, eine mögliche große Koalition zu verweigern, weil sie Partei-Interessen über Landesinteressen stelle. Die CDU habe der SPD noch einmal veränderte Positionierungen übermittelt, auf deren Basis eine gemeinsame, stabile Politik möglich gewesen wäre, teilte der Generalsekretär der NRW-CDU, Andreas Krautscheid, mit. «Die SPD besteht aber nach wie vor auf ihren Maximalpositionen, die eine dauerhafte gemeinsame Politik unmöglich machen.» Die SPD wolle jetzt im Parlament nach Zufallsmehrheiten für einzelne Themen suchen und mache sich damit - entgegen aller Beteuerungen - abhängig von der Linkspartei, kritisierte Krautscheid.
Kraft sagte über ihr Politik-Modell: «Es gibt wenig Vorbilder dafür.» Immerhin verfügten SPD und Grüne im Parlament aber über 10 Stimmen Vorsprung vor CDU und FDP. Die Entscheidung des Landesvorstands gegen eine große Koalition sei einstimmig ausgefallen, berichtete die Landesvorsitzende. Nach den Sondierungen habe sich keine Möglichkeit ergeben, eine stabile Regierung zu bilden und den im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel umzusetzen.
«Ampel»-Koalition mit FDP und Grünen gescheitert
Erst am frühen Freitagmorgen waren die Bemühungen der SPD um eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen gescheitert. In den vergangenen beiden Wochen hatte Kraft mit der CDU sondiert. Rot-Rot- Grün war schon kurz nach der Wahl verworfen worden. Die große Koalition sei daran gescheitert, dass es keine gemeinsame Grundlage für wesentliche Ziele der SPD gegeben habe, erläuterte Kraft: längeres gemeinsames Lernen für alle Schüler, gebührenfreie Bildung und Ausstieg aus der «Dumpinglohn- Gesellschaft». Auch ein personeller Neuanfang war für die SPD Voraussetzung für eine große Koalition.
Die CDU hatte aber Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhoben und wollte selbst bestimmen, ob Rüttgers im Amt bleibt. «Die CDU war nicht bereit, den Politikwechsel mit uns zu gestalten», sagte Kraft. Sie forderte die anderen Parteien auf, ihre Positionen zu überdenken. Aus den Ampel-Sondierungen habe sie den Eindruck mitgenommen: «Bei der FDP ist Bewegung möglich, aber die FDP braucht noch Zeit.» Gemeinsamkeiten gebe es auch mit der CDU.
Sie gehe davon aus, im Haushaltsausschuss des Landtags mit der CDU Landeshilfen für Opel zu beschließen, sagte Kraft. Am Wochenende will sie in vier nicht-öffentlichen Regionalversammlungen in Oberhausen, Dortmund, Köln und Bielefeld mit der Parteibasis ins Gespräch kommen.
Am Montagabend soll der Parteirat in Dortmund über die Empfehlung des SPD-Landesvorstands beschließen. Bei der Landtagswahl am 9. Mai hatte es weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün zu einer Mehrheit gereicht. CDU und SPD haben jeweils 67 Sitze im Landtag. Die CDU wurde mit dem knappen Vorsprung von 6?000 Stimmen stärkste Partei.
dpa - epa