15 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica sind zwei ehemalige Offiziere der bosnisch-serbischen Armme zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Die beiden Angeklagten gehören zu den Haupttätern der Massaker im ehemaligen Joguslawien. Sie sollen maßgeblich an der Ermordung von über 7.000 Moslems in Bosnien beteiligt gewesen sein.
Laut Anklage beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag sollen die beiden Männer die Exekutionen muslimischer Bosnier koordiniert haben. Der Völkermord-Prozess gegen den damaligen Anführer Karadzic läuft seit Oktober. Der damalige Befehlshaber der bosnisch-serbischen Truppen, Mladic, ist noch immer flüchtig.
Leichenfunde
Wer in Srebrenica Mutterboden für seinen Garten geliefert bekommt, muss selbst heute noch manchmal eine grausige Entdeckung machen: Es kann passieren, dass aus der Erde menschliche Knochen herausragen. Eine solche Horrorszene spielte sich gerade erst am Mittwoch wieder ab.
Vorsichtig trägt der kleine Bagger Schicht um Schicht der Berge von Mutterboden ab. Zwei Arbeiter mit Schaufeln sortieren alles aus, was nach menschlichen Knochen aussieht. Der Staatsanwalt für Kriegsverbrechen, Emir Ibrahimovic, beobachtet und kontrolliert die Bergung von Leichenresten: Ein Unterkiefer samt intakter Zahnreihe, Bein- und Armknochen oder Rippen kommen ans Licht. Ein Kinderschienbein ist auch dabei. «Das sind die Reste von schätzungsweise 13 Muslimen, die wahrscheinlich von den Serben 1995 ermordet wurden», schätzt der Ankläger: «Dazu noch ein Sack voller Leichenteile, die diesen 13 Personen nicht zugeordnet werden können.»
Auch an diesem Donnerstag geht die am Vortag begonnene Grusel-Arbeit weiter. In einer Kies- und Sandgrube im Ort Bratunac vor den Toren von Srebrenica und nahe des mächtigen Drina-Flusses werden zwölf braune, aufgeschüttete Sandberge abgetragen, von denen die am Mittwoch nach Srebrenica gelieferte Erde stammt. Für Ibrahimovic und sein Team ist das das traurige Tagesgeschäft, dem sie seit zwölf Jahren nachgehen. Allein 41 Massengräber wurden im Fall Srebrenica bisher entdeckt. Mal waren es sieben, mal mehrere hundert Opfer, die dort gefunden wurden.
«Es handelt sich hier um Leichenteile aus einem sogenannten Sekundärgrab», sagt der Experte so sachlich wie irgend möglich. «Die Serben haben die schon verscharrten Leichen mit Baggern noch einmal ausgegraben und die zerstückelten Körper auf zahlreiche andere Erdgruben verteilt», erklärt er während der Arbeit am Donnerstag. «Damit sollte die Identifizierung der Opfer unmöglich gemacht werden». Doch mit Hilfe modernster Untersuchungsmethoden und des «genetischen Fingerabdrucks» konnten tausende und abertausende Opfer zweifelsfrei identifiziert werden.
Der Friedhof von Potocari
Genau 3749 von ihnen liegen inzwischen auf dem eigens eingerichteten Friedhof in Potocari am Rande von Srebrenica. Rund 800 neue Gräber kommen am 11. Juli hinzu, wenn der 15. Jahrestag des Massakers begangen wird. In den meisten Fällen enthalten die hellen Holzsärge, die später nach muslimischer Tradition mit grünen Tüchern bedeckt werden, aber nicht die vollständigen Körper, sondern nur Teile davon. Der Rest bleibt verschollen.
Die Helfer des Exhumierungstrupps in Bratunac haben alle selbst viele Familienangehörige im Bürgerkrieg (1992-1995) verloren. «Wir wollen helfen, dass die Schlächter doch noch vor Gericht gestellt werden», heißt es unisono. Als dann gegen Mittag telefonisch die Nachricht vom Urteil in Den Haag übermittelt wird, gibt es keine Genugtuung oder Freude. «Vinko Pandurevic ist doch der direkt Verantwortliche für die berüchtigten Straflager in der Stadt Zvornik», sagt Staatsanwalt Ibrahimovic. «Jetzt ist er von der Anklage des Völkermordes frei gesprochen worden und muss nur für 13 Jahre hinter Gitter.»
Auf dem Friedhof in Srebrenica sind am Donnerstag wieder die Gärtner unterwegs, um auf den vielen schlichten Grabhügeln das wild wuchernde Gras zu schneiden. In den nächsten Tagen werden die Gruben für die erwarteten 800 neuen Särge ausgehoben. «Platz gibt es ja hier noch genug», sagt Hatidzda Mehmedovic. Sie ist Vorsitzende der Selbsthilfegruppe «Mütter von Srebrenica» und hat selbst den Mann und zwei Söhne verloren.
Thomas Brey (dpa) - Bild: epa