Brasiliens früherer Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (70) wird von der Generalstaatsanwaltschaft als Drahtzieher in einem Korruptionsfall bezichtigt. Dies teilte das Ministério Público Federal (MPF) am Mittwochnachmittag (Ortszeit) mit. Dabei geht es im Rahmen landesweiter Ermittlungen um Gegenleistungen von Firmen an Politiker bei Auftragsvergaben (Operation "Lava Jato"). Der bei der Behörde für die Operation verantwortliche Ankläger Deltan Dallagnol sieht Lula als "Hauptverantwortlichen ("Comandante Máximo") in dem bei Lava Jato ermittelten Korruptionssystem".
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Agência Brasil kann Lula im schlimmsten Fall bei einem Schuldspruch für alle Vorwürfe eine Gefängnisstrafe von bis zu 32 Jahren und sechs Monate drohen.
In erster Linie geht es um ein Apartment in Guarujá an der Atlantikküste, das Lula und seiner Frau gehören soll und das der Baukonzern OAS für sie aufwendig renoviert haben soll. Der Begründer der linken Arbeiterpartei, einst einer der beliebtesten Politiker der Welt und Präsident von 2003 bis Anfang 2011, wurde schon mehrfach verhört, die Ermittlungen dauern seit Monaten an. Lula bestreitet seine Unschuld. Dass die Behörde nun die Beweise als erhärtet ansieht, macht einen Prozess wahrscheinlicher. Die Ermittler werfen Lula vor, von dem OAS-Baukonzern mit einer Gesamtsumme von 3,7 Millionen Reais (eine Mio. Euro) begünstigt worden zu sein.
Neben ihm droht auch seiner Frau Marisa und sechs weiteren Personen, darunter OAS-Managern, ein Prozess wegen Geldwäsche und Korruption. Lula bestritt in sozialen Netzwerken erneut, er sei begünstigt worden. "Ich war nie Besitzer der dreistöckigen Immobilie, noch habe ich eine Nacht dort geschlafen", betonte Lula, der Dokumente zu seiner Verteidigung vorgelegt und diese online gestellt hatte.
Es werde von seinen politischen Gegnern verzweifelt versucht, die Lava-Jato-Ermittlungen auf ihn auszuweiten. Er wirft der neuen Regierung und der Justiz nach der Amtsenthebung seiner Parteifreundin Dilma Rousseff ein politisch motiviertes Vorgehen vor, Lula schließt eine erneute Präsidentschaftskandidatur 2018 nicht mehr aus.
Ende August hatte Michel Temer das Präsidentenamt übernommen - er war zuvor Rousseffs Vizepräsident, seine Partei der demokratischen Bewegung hatte die Koalition mit der Arbeiterpartei gebrochen und so die notwendigen Mehrheiten zur Absetzung Rousseffs wegen angeblicher Haushaltstricksereien zustande gebracht. Das Land ist durch die Krise polarisiert, die Linke spricht von einem parlamentarischen "Putsch" und wirft auch der Justiz parteiisches Verhalten vor.
dpa/cd - Bild: Evaristo Sa/AFP