Das französische Nationalheiligtum «Le Monde» zittert ums Überleben: Die wohl angesehenste Tageszeitung des Landes muss angesichts eines riesigen Schuldenbergs innerhalb der nächsten Wochen einen finanzstarken Investor finden. Nach Informationen des Wirtschaftsblatts «Financial Times» droht ansonsten Ende Juli die Insolvenz. Sicher ist schon jetzt, dass die Redakteure erstmals die Kontrolle über das Blatt verlieren. Die Folgen sind ungewiss.
Beim Verlag versucht man schon lange nicht mehr, die Entwicklungen schönzureden. Die Zeitung stehe vor einem historischen Wendepunkt, schrieb Unternehmenschef Eric Fottorino in der vergangenen Woche an die Leser. Der Machtverlust der Redakteursgesellschaft SRM und ihrer Partner sei nicht aufzuhalten.
Die Devise lautet nun, das Beste daraus zu machen. Die Investoren sollen garantieren, dass sie der Redaktion in journalistischer Hinsicht keinerlei Vorgaben machen. Neben mindestens 60 Millionen Euro frischen Kapitals wird zudem eine Bestandsgarantie für die anderen Titel der Gruppe gefordert. Neben der Tageszeitung gibt der Verlag auch Magazine wie «La Vie», «Télérama» oder «Courrier international» heraus.
Flaute auf dem Werbemarkt
Verantwortlich für die finanzielle Schieflage des 1944 gegründeten Blattes ist vor allem die jüngste Flaute auf dem Werbemarkt. Im vergangenen Jahr musste die Gruppe sich 25 Millionen Euro leihen. Bereits 2005 hatte sie sich knapp 70 Millionen Euro gepumpt, die teilweise bereits dieses Jahr zurückgezahlt werden müssen. Am 14. Juni soll jetzt die Entscheidung über die Zukunft des Blattes fallen. Bis dahin müssen Investoren ein Angebot abgegeben haben.
Mögliche Investoren
Bislang hat eine Handvoll Geldgeber Interesse angemeldet. Darunter sind die spanische Prisa-Gruppe («El Pais»), das größte Schweizer Medienunternehmen Ringier und der italienische Medienzar Carlo de Benedetti («L'Expresso»). Aus Frankreich will der Chef des Pariser Nachrichtenmagazins «Le Nouvel Observateur», Claude Perdriel, ein Angebot abgeben. Zudem hat ein kapitalkräftiger Dreierbund aus dem Kulturinvestor Pierre Bergé, seinem Partner Matthieu Pigasse und dem Gründer des Internetanbieters Free, Xavier Niel, sein Engagement in Aussicht gestellt.
Schmackhaft macht der Verlag die Beteiligung mit den jüngsten Zahlen. Obwohl 2009 das düsterste Jahr der Mediengeschichte gewesen sei, habe die Gruppe operationell Geld verdient, sagt Fottorino. «Vor zwei Jahren war "Le Monde" nicht mehr Herr ihres Schicksals. Heute ist "Le Monde" wieder eine Gelegenheit für Investoren.»
Guter Ruf
Dass die Zeitung wirklich Pleite gehen könnte, gilt als unwahrscheinlich. Die Investoren dürfte letztendlich auch der gute Ruf locken. In 120 Ländern wird das Blatt verkauft, 400.000 Exemplare werden im Schnitt pro Tag gedruckt. Täglich sollen rund zwei Millionen Franzosen einen Blick in die Tageszeitung werfen, die sich ganz unbescheiden selbst den Anspruch setzt, «eine der besten der Weltpresse zu sein». Fraglich ist nur, ob alle Forderungen der Redakteure an den neuen Mehrheitseigner erfüllt werden. Ihre Verhandlungsposition ist angesichts der Schulden und der Zeitnot eher schwach.
Ansgar Haase (dpa) - Bild: epa