In Warschau ist bei einem Gottesdienst unter freiem Himmel der ermordete Priester Jerzy Popieluszko selig gesprochen worden. Rund 100.000 Menschen nahmen an der Messe teil.
Nach der Gründung der Gewerkschaft "Solidarnosc" 1980 hatte er sich öffentlich für verfolgte Arbeiter und Regimekritiker eingesetzt und war zur Symbolfigur des Widerstandes gegen die kommunistische Diktatur geworden. Entführt und ermordet wurde Popieluszko 1984 im Alter von 37 Jahren.
Das Verfahren zu seiner Seligsprechung war noch von Papst Johannes Paul II. eingeleitet worden, der selbst aus Polen stammte.
"Das Böse mit dem Guten besiegen"
Jerzy Popieluszko wollte immer «das Böse mit dem Guten besiegen» und berief sich dabei nicht nur auf Jesus, sondern auch auf Gandhi. Der am Sonntag in Warschau seliggesprochene «Solidarnosc»-Priester warnte vor Hass und lehnte mit Nachdruck jede Gewalt ab. Den Schnüfflern, die ihn rund um die Uhr auch im Winter beschatteten, bot er ab und zu eine Tasse heißen Tee an.
Am 19. Oktober 1984 verlor aber der 37-jährige Geistliche den Kampf gegen die Gewalt: Funktionäre des Innenministeriums ermordeten ihn und warfen die Leiche in einen Stausee. Ein Elf-Kilogramm schwerer Stein an seinen Beinen sollte dafür sorgen, dass die schreckliche Wahrheit niemals ans Tageslicht kommt. Doch es kam anders.
Der Fahrer des Priesters konnte sich aus den Händen der Entführer befreien. Er informierte die Kirche über das Verbrechen. Weil der Mord nicht mehr verschwiegen werden konnte, entschloss sich die Staatsführung für die Flucht nach vorn. Die Täter wurden in einem öffentlichen Prozess verurteilt. Das Grab des Priesters wurde aber zur Pilgerstätte für Millionen Polen. Der Popieluszko-Mythos trug wesentlich zum Sturz des Regimes 1989 bei.
Dabei war der Bauernsohn aus einem kleinen Dorf in Nordostpolen eigentlich durch Zufall zur Symbolgestalt des Widerstandes gegen die kommunistische Diktatur geworden. Nach der Entstehung der Gewerkschaft «Solidarnosc» im August 1980 wollte die Belegschaft der Warschauer Stahlwerke eine Messe organisieren und suchte einen Priester. Weil andere Kollegen keine Zeit hatten, übernahm Popieluszko den Auftrag - und blieb als Seelsorger der Stahlarbeiter.
Als die Militärjunta von General Wojciech Jaruzelski im Dezember 1981 das Kriegsrecht gegen die Solidarnosc verhängte, engagierte sich Popieluszko mit Leib und Seele für die Verfolgten. Seine «Messen für das Vaterland» waren patriotische Demonstrationen für Freiheit und Unabhängigkeit. Trotz Warnungen und Angeboten, ins Ausland zu gehen, wollte er seine Arbeiter nicht im Stich lassen. Polen sei frei, Popieluszko habe posthum das Böse besiegt, hieß es nun bei seiner Seligsprechung, zu der mehr als 100 000 Menschen kamen.
Jacek Lepiarz (dpa) - Bild: epa