Deutschland und Russland wollen im Atomstreit mit dem Iran bei Sanktionen an einem Strang ziehen. «Jetzt (ist) die Zeit gekommen, wenn sich nichts Qualitatives ändert, dass solche Sanktionen beschlossen werden müssen», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag nach einem Treffen mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew.
Darin sei man sich mit Russland als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat einig. Merkel will sich angesichts der Forderungen von Medwedew für mehr Tempo auf dem Weg zu einer Visafreiheit zwischen der EU und Russland stark machen. Beide Länder streben eine engere Sicherheits-Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland an.
Die EU, die USA, Russland und China sind sich nach Ansicht von Merkel in der Iran-Frage einig. «Das ist eine gemeinsame Position inklusive nicht nur der Europäischen Union, der Vereinigten Staaten von Amerika und Russlands, sondern auch von China. Das ist ein großer, wichtiger Schritt, den die internationale Staatengemeinschaft hier gegangen ist», sagte die Kanzlerin. «Die Sorge um das iranische Nuklearprogramm wächst.»
Der Kremlchef äußerte zugleich die Hoffnung, dass Teheran noch einlenkt und keine Sanktionen verhängt werden müssen. «Wir hoffen, dass die iranische Führung auf die Stimme der internationalen Gemeinschaft hört.» Die Grundlage für Sanktionen müsse ein internationaler Konsens sein. «Vorlieben» einzelner Länder dürften dabei keine Rolle spielen. Merkel erwartet in naher Zukunft eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats über Sanktionen. Teheran hatte sich zuletzt wenig kompromissbereit gezeigt. Die Weltgemeinschaft verdächtigt den Iran, heimlich am Bau der Atombombe zu arbeiten.
Visa-Freiheit
Deutschland will trotz Bedenken die Frage der Visafreiheit beschleunigen. «Ich verstehe die Sorgen auch der Bürger in Russland», sagte Merkel. «Deshalb ist die Zeit gekommen, hier wirklich in eine Phase einzutreten, wo wir sehr konkret sagen: Was müsste gemacht werden, damit es zu einer Visa-Befreiung kommt?» Sie gehe davon aus, dass Russland auf Bedenken eingehen werde. Merkel sagte zu, mit Innenminister Thomas de Maizière und Außenminister Guido Westerwelle über konkrete Erwartungen an Russland zu sprechen. Sie wies aber auch daraufhin, dass alle EU-Länder zustimmen müssten.
Beim jüngsten EU-Russland-Gipfel Anfang Juni in Rostow war kein Durchbruch gelungen. Medwedew dringt auf Visafreiheit. «Diese Entscheidung würde das Leben zahlreicher Menschen radikal ändern und uns zu wahren strategischen Partnern machen.» Die Sorgen einiger europäischer Länder seien übertrieben. Kriminelle würden auch bei Visazwang Wege zur Einreise in die EU finden.
Sicherheits-Zusammenarbeit
Der russische Präsident sprach sich für eine engere Sicherheitszusammenarbeit zwischen Russland und der Europäischen Union aus. Der Wunsch sei, solch wichtige Entscheidungen auf einem höheren Niveau zu besprechen. Merkel sagte, die Kontakte sollten von Botschafter- auf Ministerebene aufgewertet werden, um Krisen besser bewältigen zu können. Merkel nannte Transnistrien, das Teil des Staates Moldau ist, als Beispiel vor den EU-Außengrenzen. Es sollten Grundregeln für gemeinsames militärisches und ziviles Krisenmanagement erarbeitet werden, heißt es in einer Erklärung von Deutschland und Russland.
Euro-Stabilität
Die Euro-Stabilität muss nach Ansicht von Merkel weiter Priorität haben. Dies sei Kernaufgabe einer stabilen Weltentwicklung. Medwedew hält die Stabilität ebenfalls für entscheidend aus weltweiter Sicht. Er glaube, dass Europa die Probleme meistere. Ein beträchtlicher Teil der Währungsreserven Russlands ist in Euro angelegt. Auch hätten viele Russen ihre Ersparnisse in Euro getauscht.
Merkel und Medwedew hatten seit Freitag in Meseberg in freundschaftlicher Atmosphäre miteinander beraten. Auf das Thema Menschenrechte gingen beide nicht ein. Bei Protesten von Regierungskritikern in Moskau und St. Petersburg war die Polizei aus Menschenrechtlersicht zuletzt unverhältnismäßig brutal vorgegangen.
Marc-Oliver von Riegen, Stefan Voß und Benedikt von Imhoff (dpa) - Bild: epa