Papst Franziskus hat die Jugend aufgerufen, "Vorreiter der Geschichte" zu sein. "Liebe junge Freunde, wir sind nicht auf die Welt gekommen, um zu vegetieren, um es uns bequem zu machen, um aus dem Leben ein Sofa zu machen, das uns einschläfert", sagte der Papst am Samstagabend bei einem Nachtgebet des Weltjugendtages vor Hunderttausenden Pilgern nahe Krakau.
"Ein Sofa - wie jene modernen mit einlullenden Massagen - die uns Stunden der Ruhe garantieren, um uns in die Welt der Videospiele zu begeben und Stunden vor dem Computer zu verbringen", fuhr der 79-Jährige fort. Es sei für viele einfacher, "duselige und benommene Jugendliche zu haben". In der heutigen Zeit brauche es aber keine "Sofa-Jugendlichen, sondern junge Menschen mit Schuhen, noch besser mit Stiefeln an den Füßen", um Spuren zu hinterlassen.
Zu der sogenannten Vigil waren die Teilnehmer des Weltjugendtages (WJT) in Krakau den ganzen Tag über auf ein riesiges Feld vor den Toren der Stadt geströmt. Bei großer Hitze legten sie acht bis zehn Kilometer zu Fuß zurück. Anwohner und Helfer reichten ihnen unterwegs immer wieder Getränke oder besprühten sie mit Wasser.
Die Sicherheitskräfte schätzen die Zahl der Teilnehmer an dem Nachtgebet auf etwa eine Million. Die meisten wollten auf dem eigens für den WJT hergerichteten "Feld der Barmherzigkeit" übernachten, um am Sonntag bei der Abschlussmesse des sechstägigen Katholikentreffens dabei zu sein. Auch Franziskus wird daran teilnehmen, ehe er nach fünf Tagen in Polen nach Rom zurückfliegt. Für die polnische Regierungschefin Beata Szydlo ist der Einfluss von Papst Johannes Paul II. (1920-2005) auch während der Pilgerreise seines Nachfolgers Franziskus ungebrochen. Franziskus zeige Größe in seiner Einfachheit, sagte die nationalkonservative Politikerin dem Sender Radio Krakow. "Er ist gewiss eine andere Gestalt als Johannes Paul II. oder Benedikt XVI., der große Intellektuelle. Johannes Paul ist vor allem unser polnischer Papst und wird für uns immer am wichtigsten sein."
Von dem Appell des Papstes, Flüchtlinge aufzunehmen, sah sich Szydlo nicht angesprochen. "Diejenigen, die Polen kritisieren (...), werden sicher sagen, na bitte, Papst Franziskus ist gekommen und hat Polen belehrt." Es gebe aber auch andere, die darauf hinwiesen, dass Polen Ukrainer aufgenommen habe. Das EU-Land weigert sich, Flüchtlinge aus muslimischen Staaten wie Syrien oder Afghanistan aufzunehmen.
Bei einer Messe mit Ordensleuten und Seminaristen in Krakau drängte Franziskus am Vormittag auf eine offenere und bescheidenere Kirche. "In unserem Leben als Priester und Gottgeweihte kann oft die Versuchung bestehen, ein wenig in uns selbst und in unsere Kreise eingeschlossen zu bleiben, aus Furcht oder aus Bequemlichkeit", sagte das Oberhaupt der Katholiken.
Abschluss am Sonntag
Emotionaler Ausklang des Weltjugendtages in Krakau mit Papst Franziskus: An der Messe zum Abschluss des weltgrößten Katholikentreffens nahmen mehr als eine Million Pilger teil. Die Veranstalter sprachen am Sonntag von 1,6 Millionen. Der Papst forderte die Jugendlichen dabei auf, "Hass zwischen den Völkern" nicht zu akzeptieren und sich einzumischen.
Auf das "Feld der Barmherzigkeit" vor den Toren der polnischen Stadt waren am Vorabend bei großer Hitze massenweise Gläubige zu einer Gebetswache geströmt und hatten dort die Nacht verbracht. Am Sonntag feierten die Pilger den argentinischen Papst dann noch einmal wie einen Popstar. Vor der Messe fuhr Franziskus mit dem Papa-Mobil durch die Massen und grüßte sie. Unzählige Polizisten hatten die Orte des Katholikentreffens gesichert.
Franziskus rief die Jugendlichen wie schon mehrfach in den vergangenen Tagen auf, nicht den Mut zu verlieren. "Die Traurigkeit liebzugewinnen, ist unserer spirituellen Statur nicht würdig. Es ist vielmehr ein Virus, der alles verseucht und blockiert", sagte er. Zudem verurteilte er das "Doping des Erfolgs um jeden Preis" und ein egoistisches Denken.
"Sie mögen euch als Träumer beurteilen, weil ihr an eine neue Menschheit glaubt, die den Hass zwischen den Völkern nicht annimmt, die die Grenzen der Länder nicht als Barrieren ansieht und die eigenen Traditionen ohne Egoismen und Ressentiments hütet", sagte er weiter. "Bleibt nicht an der Oberfläche der Dinge stehen und misstraut den weltlichen Huldigungen des Scheins, dem Make-Up der Seele, um besser zu erscheinen."
In Krakau hatten junge Leute aus mehr als 180 Staaten fast eine Woche lang gemeinsam gebetet und gefeiert. Um den Papst zum Abschluss noch einmal zu erleben, nahmen sie große Strapazen auf sich: Auf dem Weg zum Freigelände mussten sie kilometerlange Strecken zu Fuß bewältigen, Anwohner und Helfer versorgten sie mit Getränken oder besprühten sie mit Wasser.
Viele Pilger zogen ein positives Fazit des Weltjugendtages: "Ich bin total glücklich. Es geht gar nicht so sehr um den Papst. Alle reden vom Papst. Aber es geht um die Leute, die man hier trifft. Dass man verschiedene Kulturen trifft", sagte die Polin Anna Halas (24). "Es ist das erste Mal, dass ich von Zuhause weg bin, von meiner Familie. Man muss das einmal im Leben hier miterleben", meinte die Argentinierin Rocío Belén (20) aus Buenos Aires. "Der Papst ist wie ein Großvater, so weise. Ich finde ihn als Person super, nicht weil er aus meiner Heimat kommt."
Nächster WJT in Panama
Nach der Messe wurde bekanntgegeben, dass der nächste Weltjugendtag 2019 in Panama stattfindet und damit nach Rio de Janeiro im Jahr 2013 erneut in Lateinamerika, dem Heimatkontinent des argentinischen Papstes. Die Treffen gehen auf eine Initiative des früheren polnischen Papstes Johannes Paul II. (1920-2005) zurück.
dpa/rkr - Bild: Wojtek Radwanski / Janek Skarzynski / Filippo Monteforte (afp)