Am Morgen danach steht München noch immer unter Schock: Ein 18-Jähriger hat am Olympia-Einkaufszentrum im Norden der Stadt neun Menschen erschossen und 16 weitere verletzt. Die Polizei sprach am Freitagabend zunächst von einer Terrorlage, die Stadt befand sich im Ausnahmezustand. Doch ob es wirklich ein Anschlag mit politischen Bezügen oder ein Amoklauf des Deutsch-Iraners war, ist völlig offen. Der junge Mann kann nicht mehr befragt werden, denn er tötete sich selbst. Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass er als Einzeltäter handelte.
Die Spurensuche am Tatort geht auch am Samstagmorgen weiter, das Gebiet um das Einkaufszentrum war weiträumig abgesperrt. Im Stadtteil Maxvorstadt durchsuchte die Polizei am Morgen ein Haus. Nicht bestätigen wollte die Polizei zunächst, dass der Einsatz der Wohnung des Täters oder der Wohnung von dessen Vater galt. Einzelheiten zum Ermittlungsstand will die Polizei im Laufe des späten Vormittags mitteilen.
Das bayerische Kabinett will zu einer Sondersitzung zusammentreten. Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich «tief erschüttert». Die «brutale und menschenverachtende Tat» erfülle alle «mit Trauer und Schrecken». Bundesinnenminister Thomas de Maizière trifft sich am Vormittag mit den Spitzen von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und Bund Bundeskriminalamt (BKA) in Berlin zu einer Lagebesprechung und nimmt anschließend an einer Sitzung des Bundessicherheitskabinetts teil. Der CDU-Politiker ordnete Trauerbeflaggung in ganz Deutschland an.
Der 18-Jährige hatte die ersten Schüsse aus einer Pistole am frühen Abend in einem Schnellrestaurant abgegeben, anschließend schoss er auch an dem Einkaufszentrum um sich und ergriff die Flucht. Eine Zivilstreife stellte ihn und schoss auf ihn. Unklar ist noch, ob der Täter dabei auch getroffen wurde. Seine Leiche wurde etwa einen Kilometer vom Einkaufszentrum entfernt in einer Nebenstraße gefunden. Dort wurde auch eine Pistole sichergestellt.
Am Freitagabend war zeitweise nach drei möglichen Tätern mit Gewehren gefahndet worden. Weiter ungeklärt sind bisher die Hintergründe der Bluttat und das Motiv. Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä sagte am Morgen: «Wir gehen momentan von einer Schießerei aus.» Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gibt es bisher nicht. Der Täter soll zuletzt mehrere Jahre in München gelebt haben. Der Polizei war er bisher noch nicht aufgefallen. Sie bestätigte, dass es sich bei einem Mann, der auf einem im Internet kursierenden Video auf einem Parkdeck zu sehen ist, um den Täter handeln könnte. Polizeipräsident Andrä rief die Bevölkerung auf, den Ermittlern mögliche weitere Handy-Videos vom Tatort zur Verfügung zu stellen.
Nach den Schüssen am Olympiazentrum war in Teilen der Stadt Panik ausgebrochen. Das Hauptaugenmerk habe nach den Schüssen vor allem darauf gelegen, die Sicherheit in München zu gewährleisten, sagte Andrä. Darum warnte die Polizei zunächst vor einer «akuten Terrorlage», die Landeshauptstadt rief den «Sonderfall» wegen einer «Amoklage» aus. Und: Die Polizei forderte die Anti-Terror-Einheit GSG 9 des Bundes und Spezialeinheiten aus mehreren anderen Bundesländern an.
Der öffentliche Nahverkehr - U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen - wurde zeitweise eingestellt, auch der Zugverkehr stand still. Der Münchner Hauptbahnhof wurde evakuiert, Ärzte und Schwestern wurden in die Krankenhäuser gerufen. Restaurants in der Innenstadt schlossen aus Sicherheitsgründen. Die Landeshauptstadt forderte die Bürger nach den Schüssen zunächst per Smartphone-Warnsystem Katwarn auf, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Facebook aktivierte den «Safety Check» («Sicherheitscheck») für München. Damit können Bewohner darüber informieren, dass sie in Sicherheit sind. Etliche Münchner twitterten den Hashtag #OffeneTür, um anderen Menschen Unterschlupf zu gewähren.
Es ist bereits die zweite schwere Gewalttat in Deutschland innerhalb weniger Tage. Erst am Montagabend hatte ein 17-jähriger Flüchtling mit einer Axt und einem Messer vier Touristen aus Hongkong in einem Regionalzug bei Würzburg schwer verletzt. Einsatzkräfte erschossen den Jugendlichen. Diese Tat soll einen islamistischen Hintergrund haben.
Ereignisse in München haben lösen im In- und Ausland Entsetzen aus
Der deutsche Bundespräsident Gauck äußerte sich bestürzt. Die Bundesregierung drückte den Opfern ihr Mitgefühl aus. US-Präsident Obama sicherte die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu. Der französische Präsident Hollande nannte den Schusswaffen-Anschlag eine Terrortat und erklärte, er wolle noch am Samstag mit Bundeskanzlerin Merkel sprechen.
dpa/sh - Bild: Christoph Strache (afp)