Marianne Thyssen will hier in erster Linie gegen das innereuropäische Sozialdumping vorgehen. Die Grundlage dafür hatte eine EU-Richtlinie von 1996 gelegt, die die "Entsendung" von Arbeitskräften in ein anderes Mitgliedsland regelt. Diese Entsenderichtlinie hat aber zu einigen folgenschweren Entgleisungen geführt. Konkret: Billigarbeiter aus dem Osten überschwemmten den Arbeitsmarkt in den westlichen Staaten. Beim Brexit-Wahlkampf war das ja auch eines der ganz großen Themen.
Im März hatte Thyssen in ihrer Eigenschaft als EU-Arbeits- und Sozialkommissarin also ein Reformprojekt vorgestellt. Wenn auch mit Abstrichen soll demnach künftig gelten, dass alle Arbeitnehmer in einem Land für ein und dieselbe Arbeit dasselbe Geld bekommen sollen. Elf EU-Staaten, darunter zehn aus Osteuropa, hatten der Kommission dafür aber die "Gelbe Karte" gezeigt, heißt: eine Veto-Prozedur eingeleitet. In einem solchen Fall muss die Kommission ihre Pläne eigentlich überdenken.
Thyssen hält aber an dem Projekt in seiner ursprünglichen Form fest. Die Entsenderichtlinie schüre im Moment die Zweifel der Bürger am europäischen Projekt. Deswegen seien Korrekturen im Sinne der Gerechtigkeit unabdingbar.
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/BELGA