"Ich werde Sie nicht um Mitleid wegen meines Schicksals bitten. Ich möchte nur wie alle anderen behandelt werden", schreibt der wegen Sex mit einer 13-Jährigen verfolgte Roman Polanski in einem online veröffentlichten Brief. Wenig später stellt sich der heute 76 Jahre alte Regisseur ("Rosemaries Baby"/"Der Pianist") allerdings als Opfer einer rachsüchtigen und verlogenen US-Justiz dar. Er fordert die Schweiz auf, ihn aus dem Hausarrest in Gstaad zu entlassen. Worte der Reue finden sich nicht.
Kein Grund für Auslieferung
"Ich kann nicht länger schweigen, weil die Vereinigten Staaten weiterhin meine Auslieferung verlangen. Und das mehr, um mich den Medien der ganzen Welt zum Fraß vorzuwerfen, als um ein Urteil zu fällen, über das schon vor dreiunddreißig Jahren eine Übereinkunft erzielt worden ist", klagt der polnisch-französische Filmemacher stattdessen. Es gebe keinen Grund für eine Auslieferung.
"Es stimmt, vor 33 Jahren habe ich mich schuldig bekannt und im Staatsgefängnis von Chino (Kalifornien), das kein VIP-Gefängnis ist, eine Strafe verbüßt, die eigentlich die Gesamtstrafe darstellen sollte", schreibt der Oscar-Preisträger. Als man ihn dann nach 42 Tagen Haft entließ, habe der Richter allerdings seine Meinung geändert und erklärt, die in Chino verbüßte Haft sei nicht die Gesamtstrafe. "Wegen dieses Rückziehers verließ ich damals die Vereinigten Staaten." Der Richter habe sich auf seine Kosten die Aufmerksamkeit der Medien sichern wollen, klagt Polanski. Sogar der damalige Staatsanwalt habe zuletzt bestätigt, dass die Haftzeit im Gefängnis von Chino eigentlich die Gesamtstrafe sein sollte.
Verfahren wird nicht fallen gelassen
Der Brief des Regisseurs kommt zu dem Zeitpunkt, an dem die Schweiz über die Auslieferung des prominenten Gefangenen entscheiden muss. In dem seit mehr als 30 Jahren laufenden Missbrauchsverfahren hatten Polanskis Anwälte zuletzt eine doppelte Niederlage einstecken müssen. Die Justizbehörden in Los Angeles lehnten den Antrag des 76-Jährigen auf eine Verurteilung in Abwesenheit ab. Zudem wiesen sie auch einen Antrag von Polanskis damaligem Opfer zurück, das Verfahren gegen den Regisseur fallen zu lassen. Die amerikanischen Justizbehörden missachteten alle Argumente und Zeugenaussagen, klagt Polanski - allerdings ohne zu erwähnen, dass an sein damaliges Opfer viel "Schmerzensgeld" geflossen sein soll.
Die juristischen Mittel gegen die Auslieferung hält Polanski offensichtlich für ausgeschöpft. "Seit dem Tag meiner Festnahme auf dem Flughafen Zürich (...), habe ich mich einer eigenen Stellungnahme e nthalten und meine Anwälte gebeten, ihre Äußerungen auf das Notwendigste zu beschränken", schreibt Polanski in dem Brief, den auch mehrere große Tageszeitungen am Montag abdruckten, darunter die französische "Libération". Damit habe er es den Justizbehörden der Schweiz und der USA ermöglichen wollen, ihre Arbeit zu tun.
Die schweizerische Justiz hat sich bislang nicht dazu geäußert, wann sie über die Auslieferung entscheiden will. "Ich bin zuversichtlich, da die Wahrheit auf unserer Seite ist", sagt Polanskis Pariser Anwalt Hervé Témime. Warum er der US-Justiz kein faires Verfahren zutraut, sagt er nicht.
Ansgar Haase (dpa) - Bild: epa