Bruce Jenner fackelt nicht lange. "Soll ich meinen Pferdeschwanz aufmachen?", fragt der Stiefvater von TV-Sternchen Kim Kardashian zu Beginn eines in den USA seit Wochen mit Spannung erwarteten Fernsehinterviews. "Warum nicht, wir reden ja genau darüber. Ich mache meinen bescheuerten Pferdeschwanz auf." Zum Vorschein kommt eine glänzende und gepflegte lange Haarmähne - und kurz darauf spricht der 65 Jahre alte Jenner dann auch aus, worüber US-Medien seit Monaten spekulierten: "Ich bin eine Frau."
Für sein Outing wählt Jenner die große Bühne: Ein TV-Interview beim Sender ABC mit der in den USA sehr prominenten Moderatorin Diane Sawyer zur besten Sendezeit am Freitagabend. Knapp 17 Millionen Zuschauer sind am Bildschirm dabei. Tausende diskutieren im Internet darüber - ein Paukenschlag in der Promi-Welt. "Das ist Mut", lobt die Sängerin Lady Gaga per Kurznachrichtendienst Twitter, und der HipHop-Labelgründer Russell Simmons schreibt: "Wir erleben gerade, wie Geschichte geschrieben wird."
Von seiner Familie wird er als "Held" gefeiert. Tochter Kendall Jenner auf Twitter: "So stolz auf dich, mein Held". "Noch nie war ich stolzer auf dich, Dad!", fügt Tochter Kylie am Samstag in einem Tweet hinzu. Sohn Brody Jenner postet auf Instagram: "Du hast heute Abend wieder Gold gewonnen. Ich stehe zu dir auf dieser Reise. Ich liebe dich Dad". Unterstützung gibt es auch von Ex-Ehefrau Kris Jenner. "Nicht nur konnte ich ihn 25 Jahre lang meinen Mann und Vater meiner Kinder nennen, nun kann ich ihn auch meinen Held nennen", schreibt die 59-Jährige auf Twitter.
"Heute haben Millionen Menschen gelernt, dass jemand, den sie kennen, transsexuell ist", kommentiert die Präsidentin der schwul-lesbischen Organisation Glaad, Sarah Kate Ellis. Jenners Geschichte werde "unzählige Menschen auf der Welt beeinflussen".
Dass er transsexuell sei, habe er schon als kleiner Junge gewusst, sagte Jenner in dem Interview. Damals habe er heimlich die Kleider seiner Mutter und Schwester angezogen. "Mein Gehirn ist viel mehr weiblich als männlich. Es ist schwer für Menschen, das zu verstehen, aber so ist meine Seele." Er habe einige Schönheitsoperationen hinter sich und Hormone genommen, sei aber nicht vollständig umoperiert. Jahrzehntelang habe er nur wenigen Menschen davon erzählt, aber nun wolle er sich nicht mehr länger verstecken. "Wir werden die Welt verändern."
Jahrzehntelang hatte Jenner als Macho und Sex-Idol gegolten. 1976 gewann er Zehnkampf-Gold bei Olympia, war danach auf zahlreichen Titelblättern abgebildet, im Weißen Haus zu Gast und spielte in mehreren Filmen mit. Jenner war dreimal verheiratet, zuletzt mehr als 20 Jahre mit Kris Jenner. Im vergangenen Jahr ließ sich das Paar scheiden. Die beiden sind Eltern von Kendall und Kylie und haben aus früheren Ehen jeweils vier weitere Kinder. Kris ist die Mutter von Kourtney, Kim, Khloé und Robert Kardashian. Der Familien-Clan ist unter anderem durch die Reality-Serie "Keeping Up With the Kardashians" bekannt.
Für die Großfamilie sei sein Kampf mit den Geschlechtern nicht einfach gewesen, gibt Jenner zu. Die Familie werde das Interview gemeinsam schauen, hatte Kim Kardashian zuvor angekündigt. "Ich liebe dich Bruce", teilt sie mit dem Hashtag #ProudDaughter (stolze Tochter) auf Twitter mit. Im Interview mit Matt Lauer von der "Today"-Show räumt die Stieftochter ein, dass die Familie durch Therapie Hilfe suche und sich noch weiter an die neue Situation gewöhnen müsse. Es sei nicht einfach, aber sie unterstützten ihn alle, betont Kardashian.
Kim sei es auch, die mit seiner Transsexualität am besten umgehen könne, erzählt Bruce Jenner. Dazu gebracht habe sie ihr Ehemann, der Rapper Kanye West. "Er hat zu ihr gesagt: "Ich kann mit der schönsten Frau der Welt verheiratet sein und das bin ich. Ich kann die schönste Tochter der Welt haben und die habe ich. Aber ich bin nichts, wenn ich nicht ich selbst sein kann." Seitdem ist Kim diejenige, die es bei weitem am besten akzeptiert und mit der ich am einfachsten darüber sprechen kann."
Seine weitere Umwandlung zur Frau will Jenner ebenfalls von Fernsehteams begleiten lassen. Ab Juli will der Sender E! die achtteilige Dokuserie ausstrahlen. "Ich hoffe, dass alles gut wird. Ich fühle, dass alles gut wird. 2015 wird ganz schön aufregend." Es sei sein letztes Interview als Mann gewesen, aber seinen neuen Frauennamen wolle er noch nicht verraten. "Wie sollen wir dich nennen?", fragt Jenners Tochter Casey. "Ihr könnt mich "Dad" nennen. Ich werde immer euer Dad sein."
Von Christina Horsten, dpa - Bild: Jason Kempin/Getty Images for Coachella (afp)