Natürlich kann ein US-Präsident niemals richtig Ferien machen. Echt ausspannen, nicht ans Büro denken - das geht nicht. In Wirklichkeit sind lauter Krisen und das Büro auch im Urlaub immer dabei - enge Mitarbeiter, Berater, die Leute von der Sicherheit, die White-House-Karawane eben.
Trotzdem versucht Barack Obama, wenigstens ein bisschen Ruhe von den Stürmen der Weltpolitik zu finden. Mitunter tut ja schon ein Tapetenwechsel gut. An diesem Samstag geht's los: wieder mal geht es nach Martha's Vineyard am Atlantik - in Sachen Urlaub ist Mr. President ein Gewohnheitstier. Er fährt für zwei Wochen, wenn auch mit Unterbrechungen.
Allein die Fahrt ist ein ziemlich öffentliches Unternehmen. Das Weiße Haus gibt alles im Voraus genau bekannt: Erst steigen Obama und Ehefrau Michelle in den Präsidenten-Jet Air Force One und es geht nach Cape Cod. Die Halbinsel liegt rund 800 Kilometer nördlich von Washington, mit dem Flieger ein Klacks. Dort ist Umsteigen angesagt, in Marine One, den präsidialen Hubschrauber. Der bringt die Sommerfrischler dann ans Ziel auf die Insel Martha's Vineyard.
Cape Cod heißt auf Deutsch Kap Kabeljau und liegt im Süden des Neu-England-Staat Massachusetts, praktisch einen Steinwurf über den Sund liegt die winzige Insel Martha's Vineyard mit ihren 15.000 Einwohnern. Cape Cod und Martha's Vineyard sind für die Amerikaner, zumindest für Ostküstler, das Urlaubsziel par excellence - weite Strände, Dünen, hohe Wellen plus hohe Preise. Schon die Clintons und andere amerikanische Präsidenten haben hier Ferien gemacht. Worauf Kritiker ihnen vorhielten, sie seien "elitär". Nach Martha's Vineyard führen nur die Reichen und Schönen, wer als Präsident dem Volk wirklich nahe sein wolle, müsse solche Plätze meiden.
Auch die Obamas mussten schon ähnliche Vorwürfen einstecken. Lokalzeitungen fanden letztes Jahr heraus, dass das präsidiale Sommerhaus pro Woche 50.000 Dollar Miete koste. Diesmal wohnen die Obamas zwar woanders, aber auch dort gehe es ziemlich großzügig zu, heißt es in der Lokalpresse. 17 Zimmer, Pool, Tennisplatz plus Meerblick natürlich.
Cape Cod und Martha's Vineyard sind aus zwei Gründen berühmt geworden. Zum einen haben die Kennedys hier ihren Sommersitz. Zum anderen drehte hier Steven Spielberg vor fast 30 Jahren den "Weißen Hai". Die "New York Times" nutzte das vor kurzem zu einer Reportage, in der sie schrieb, dass jetzt wieder mehr Haie in der Gegend seien als früher. Das Blatt beruhigte aber zugleich die Touristen: Seit 1837 seien lediglich drei Haiangriffe auf Menschen an den Küsten von Massachusetts überliefert, einer davon tödlich.
Die Obamas könnten also beruhigt baden gehen - doch den Präsidenten werden wohl Krisenberatungen verfolgen. Ukraine-Krise, Nahost-Krise, Ebola-Krise, Irak-Krise - selten hatte Obama so viele Sorgen im Reisegepäck. Hinzu kommen die miesen Umfrageergebnisse und das Zittern vor den Kongresswahlen im Herbst. Wer Obama beobachtet, hat den Eindruck, als würde er von Monat zu Monat grauer werden auf dem Kopf. Dabei hat er erst vor ein paar Tagen 53. Geburtstag gefeiert.
Doch es sind nicht nur die Krisen, die echtes Urlaubsglück vermiesen. Es gibt auch noch andere lästige Pflichten. Ganz sicher wird Obama auch diesmal wieder Hamburgerläden besuchen, sich ein Eis kaufen und mit wildfremden Leuten plaudern. Das tun Präsidenten immer im Urlaub, das gilt als volkstümlich. Natürlich geschieht das vor laufender Kamera. Präsidentenurlaub ist eine ziemlich öffentliche Angelegenheit.
Zwei Sachen allerdings hält das Weiße Haus streng geheim. Das eine ist, was die beiden heranwachsenden Töchter Malia (16) und Sasha (13) machen. Sind die mit von Partie oder wie viele junge Amerikaner im Feriencamp mit anderen Jugendlichen? Das Weiße Haus reagiert nicht mal auf entsprechende Fragen, die Obamas legen größten Wert auf die Privatsphäre ihrer Töchter.
Das zweite Geheimnis: Obama wird vom 17. bis 19. August seinen Urlaub unterbrechen und zur Stippvisite nach Washington kommen. Jetzt rätselt die ganze Welt, was für ein Ereignis dann ansteht. Die nächste Krise, hoher Besuch, eine große Obama-Rede? Die Presse löchert Regierungssprecher Josh Earnest, doch der schweigt beharrlich. Fest steht: Am Sonntag, 24. August, sind Obamas Ferien vorbei - ob er erholt sein wird?
Von Peer Meinert, dpa - Bild: Matthew Healey/AFP