Es ist das erste Interview von Gérard Depardieu, nachdem der Star-Schauspieler im Dezember bekannt gegeben hatte, seinen ständigen Wohnsitz von Frankreich nach Belgien zu verlegen. Hier bei uns will sich Depardieu im Dorf Néchin niederlassen, direkt an der Grenze zu Frankreich und zur Großraumregion von Lille.
Warum der Schauspieler sein Interview einem kleinen regionalen Fernsehsender und nicht etwa der RTBF oder der VRT gegeben hat, ist nicht ganz klar. Aber aus allem, was Depardieu im Interview so sagt, hat er ziemlich die Nase voll, was so alles über ihn in der Presse zu hören und zu lesen ist. Gerade die französischen Kollegen waren ja nicht unbedingt zimperlich mit dem Star-Schauspieler umgegangen, als er seine Entscheidung verkündet hat, nach Belgien zu ziehen. Der Vorwurf liegt in der Luft, dass Depardieu ein Steuerflüchtling ist, dass er keine Lust hat, die Reichensteuer zu bezahlen, die in Frankreich eingeführt werden soll.
Der Chefredakteur des regionalen Fernsehsenders No Télé, der das Interview machen durfte, sagt dann auch, dass es ganz und gar nicht einfach gewesen sei, Depardieu für ein Gespräch vor laufender Kamera zu gewinnen. Zweieinhalb Monate habe sich der Sender darum bemüht. Und es war letztlich der lokale Zuschnitt, die Verankerung des Senders in der Region, in der Depardieu bald leben will, die den Star dann doch dazu bewogen hat, das Interview zu geben.
Leben in dem Dorf Néchin
In dem Interview ging es vor allem um Depardieu und sein neues Leben in der belgischen Provinz. Natürlich spielt da immer das Große mit hinein, die Frage danach, ob der Wohnortswechsel eine Steuerflucht sei oder nicht - Depardieu bestreitet das mehrere Male. Aber auch beim Nachhaken des Journalisten, der die Fragen gestellt hat, merkt man schon deutlich: Es geht darum zu erfahren, wie Depardieu sich sein Leben in dem Dorf Néchin so vorstellt, und warum er gerade dorthin gezogen sei. Dies ist übrigens die erste Frage, die der Journalist dem Star-Schauspieler stellt.
Es ist vor allem die Nähe zum Flughafen Roissy, die den Ausschlag für den Wohnort Néchin gibt, so stellt es Depardieu dar. Außerdem sei Lille nicht weit, von wo aus es gute Zugverbindungen gebe - obwohl er meist mit dem Auto fahre. Und schließlich habe er Freunde in Néchin, zum Beispiel auch den Bürgermeister, den er gut kenne.
In dem Interview geht Gérard Depardieu von sich aus auf den Vorwurf der Steuerflucht ein. Aber seine Antworten überzeugen nicht wirklich. Er verweist darauf, dass er auch in Belgien hohe Steuern zahlen müsse, und kommt dann immer schnell auf den doch traurigen Zustand zu sprechen, der zurzeit in Frankreich vorherrsche. Eine Art Lähmung der Gesellschaft. "Frankreich ist traurig", sagt Depardieu einmal. Und eigentlich sollte die Regierung etwas tun, um diese Situation zu verbessern. Aber Ansätze, dass die Regierung aktiv wird und das ändert, sieht der Schauspieler nicht.
Zurzeit wohnt Depardieu bei einem Freund in der Ancienne Douane, also dem ehemaligen Grenzhäuschen und ist über den Freund auch in der Dorfverwaltung als Einwohner gemeldet. Aber tatsächlich hat er auch vor, sich ein Haus zu kaufen in Néchin. Wo das allerdings genau sein wird, das will Depardieu nicht sagen.
Das Interview ist übrigens auch in der Küche dieser Wohnung des Freundes aufgezeichnet worden. Und Küche ist ein gutes Stichwort: Denn wenn Depardieu von Néchin spricht, dann geht es meistens ums Essen und Trinken. Mit Marc, dem Metzger, hat er sich schon angefreundet und für in drei Wochen Fleisch bestellt - dann, wenn er das nächste Mal in Néchin sein wird.
Außerdem spricht er von dem Bistro La Chope, das ihn an die Bistros in seiner Heimatstadt Châteauroux in Frankreich erinnert. Nur mit dem Brot in Néchin ist er nicht zufrieden. Brot sei halt wichtig für einen Franzosen, und da ihm diese kulinarischen Dinge grundsätzlich Spaß machen, könnte es vielleicht bald eine Bäckerei Depardieu in Néchin geben. Oder aber auch ein Restaurant - vielleicht auch beides.
Wie oft er in Néchin sein wird, das hängt von seinem Beruf als international aktiver Schauspieler ab. So oft habe er gar nicht Zeit, zu Hause zu sein - das sei auch in Frankreich, in Paris nicht anders gewesen. So ist sein Terminplan für die nächsten Monate schon kräftig gefüllt mit längeren Auslandsaufenthalten zum Beispiel in den USA - alles für Dreharbeiten zu neuen Filmen. Und deshalb kann man davon ausgehen, dass man zumindest in den nächsten Monaten Depardieu nicht sehr häufig in Néchin sehen wird.
Archivbild: Johannes Eisele (afp)