Mit ihrem Kurzauftritt bei der Punktevergabe zum Eurovision Song Contest sprach die deutsche Jury-Chefin mit ihren klaren, aber freundlichen Worten an die Adresse der autoritären Führung Aserbaidschans vielen aus der Seele.
Millionen hatten während der mehr als dreistündigen Show eine Spitze gegen die bombastische Inszenierung des Regimes in Baku erhofft - hier war sie endlich. Kurz vor Spektakel-Schluss, gegen 0.15 Uhr.
«Heute Nacht konnte ja niemand für sein eigenes Land abstimmen», hob die 46-Jährige an, als sie aus Hamburg in die Show in Baku geschaltet wurde: «Aber es ist gut, abzustimmen, und es ist gut, eine Wahl zu haben. Viel Glück auf eurer Reise, Aserbaidschan. Europa schaut auf euch», sagte sie vor den vielen Millionen TV-Zuschauern auf Englisch, bevor sie die deutschen Punkte durchgab.
«Ich hab mich grad neu in Anke Engelke verliebt», bekannte der Medienjournalist Stefan Niggemeier («Niggi») kurz danach in seinem Bakublog. «Anke sagt, wie toll und wichtig es ist, zu wählen. Und eine Wahl zu haben. So einfach ist es, ein politisches Statement zu machen. Mich hat das jetzt sehr bewegt.» Auch im «Prinz Blog» zum ESC freute sich Autor «WM», dass Engelke «für zehn Sekunden aus dem Inszenierungskarussell» ausgestiegen sei und niemandem die Gelegenheit geboten habe, sie aufzuhalten.
Die "Siegerin der Herzen"
«Spiegel Online» schrieb anerkennend: «Den Moderatoren in Aserbaidschan blieb gar nichts anderes übrig, als diese kleine politische Demonstration einfach wegzulächeln.» Im Internet feierten sie Fans als «Siegerin der Herzen» und «ESC-Heldin». Auch die ARD-Oberen überboten sich mit Lob. «Anke Engelke hat mit ihren klaren, klugen und charmanten Worten die Ehre des ESC gerettet», sagte der ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. Für den federführenden Norddeutschen Rundfunk (NDR) sagte Intendant Lutz Marmor: «Ein besonderes Kompliment hat sich Anke Engelke verdient. Bei der Punktevergabe live von der Grand-Prix-Party in Hamburg hat sie genau den richtigen Ton getroffen. Danke, Anke!»
Doch bei aller Anerkennung für Anke gab es auch Stimmen, die Engelkes Worte als eine Art Feigenblatt der Fernsehverantwortlichen empfanden. Mancher hätte sich seitens der Europäischen Rundfunkunion EBU, also des Veranstalters, bei dem auch die ARD Mitglied ist, lieber mehr echten Widerstand statt warmer Worte gegen die politischen Umstände in Aserbaidschan gewünscht. Der Musikwettbewerb in der früheren Sowjetrepublik Aserbaidschan war umstritten. Die Regierung des Landes steht wegen ihres Umgangs mit Oppositionellen und Kritikern immer wieder am Pranger. Ihr wird vorgeworfen, die Meinungs- und Pressefreiheit einzuschränken.
dpa - Bild: Raigo Pajula (epa)